Die Landkarte der Liebe
befreundet?«
»Er war mein Bruder.«
Mia wurde es heiÃ.
»Wir haben deine Mutter nach einem Auftritt kennengelernt. Gemeinsam. Wir standen an der Bar, jemand hatte sie uns vorgestellt. Ich hab ihr einen Drink spendiert â und ich war es dann auch, den sie vier Monate später geheiratet hat.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber wie sich herausstellte, hatte sich auch Harley in sie verliebt.«
»Und wie ist es zu der Affäre gekommen?«
»Ich schätze, die Gründe heiÃen Ablenkung und Enttäuschung. Ich war durch meinen Beruf abgelenkt, und Grace von ihrem Mann enttäuscht.« Er zündete sich eine Zigarette an und nahm einen langen Zug. Die Glut leuchtete auf. »Mia, damals war ich ein anderer Mann als heute. Als die Band The Black Ewe Erfolg hatte, hat mich das Business so in Anspruch genommen, dass meine Familie an zweiter Stelle kam. Ich hab damals noch andere Bands unter Vertrag gehabt und eine Tour nach der anderen gebucht, war mehr im Ausland als in England. Grace saà allein zu Hause, mit einem Baby. Ich glaub, sie wusste auch, dass mein Leben auf Tour nicht gerade sauber war â da gab es Drogen, jede Menge Alkohol und auch andere Frauen.«
»Und da hat sie sich Harley zugewandt?«
»Ja. Und ich konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Ich war kein guter Ehemann. Und auch kein guter Bruder.«
»Hat er sie geliebt?«
»Sehr sogar«, antwortete Mick ohne Zögern. »Aber es war eine zu intensive, beinah obsessive Liebe. Grace konnte eine solche Liebe nicht erwidern, ich glaube, sie hatte Angst vor derart heftigen Gefühlen.«
Mick zog an der Zigarette, und Mia rückte ein wenig zur Seite, fort von dem Qualm. Sie schaute auf das Meer. WeiÃe Schaumkronen bildeten sich auf den Wellen. »Als Mum mit mir schwanger war ⦠hast du da Bescheid gewusst?«
»Ja, aber Harley nicht.« Er klopfte die Asche ab. »Grace hat damals angeboten, die Affäre zu beenden und zu mir zurückzukommen, wenn ich sein Kind als mein eigenes annehmen könnte. Die Alternative wäre gewesen: Sie hätte mich für ihn verlassen. Eifersucht und Stolz sind mächtige Gefühle. Ich habe The Black Ewe aus meinem Label geworfen, Harley aus unserem Leben verbannt und bin bei ihr geblieben.«
Mia fragte sich, was für einen Einfluss diese eine Entscheidung auf ihr Leben gehabt hatte.
»Aber es war schwer, viel schwerer als erwartet. Du warst eine ständige Erinnerung an das, was zwischen Grace und Harley vorgefallen war. Du warst nur ein winziges Baby â und es war nun wirklich nicht deine Schuld â, aber jedes Mal, wenn ich dich angesehen hab, hab ich ihn gesehen.« Er betrachtete sie intensiv. »Du bist ihm so ähnlich. Gott, deine Augen! Ich hätte es in der Sekunde erkennen müssen, als du vor der Tür gestanden hast. Seine Augen waren ebenfalls smaragdgrün. Deine Mutter hat immer gesagt, was für ungewöhnliche Augen Harley hätte. Du hast auch sein Haar, aber das Lächeln hast du von deiner ÂMutter.«
»Du bist meinetwegen fortgegangen?«
»Ich hab irgendwann eingesehen, dass ich dir niemals ein guter Vater werden würde. Und, ja, deshalb bin ich fortgegangen.« Der Moment, der endgültig zum Bruch geführt hatte, stand ihm wieder vor Augen, aber er entschied sich, zu schweigen, und Mia stellte keine Fragen.
Er drückte seine Zigarette aus.
Mick hatte Katie und ihre Mutter verlassen, weil er nicht genügend Liebe für sie empfunden hatte. Sie fühlte sich so erschöpft und kraftlos, als hätte sie mit dem Meer gerungen und wäre in den Wellen umhergeworfen worden. Sie wollte nur noch fort, aber eines musste sie noch wissen.
»Was ist mit Harley?« Der Name kam ihr nur zögernd über die Lippen. »Weià du, wo er heute lebt?«
»Es tut mir leid, Mia, er ist vor langer Zeit gestorben.«
Mia bemühte sich, diese Neuigkeit lediglich als Tatsache hinzunehmen. Sie war an der Grenze dessen angelangt, was sie emotional verarbeiten konnte â doch die Zeit, sich ihren Gefühlen zu stellen, würde kommen. Im Moment versuchte sie, sich auf die Fakten zu konzentrieren, und fragte: »Wann?«
»Vor vielen Jahren â er war vierundzwanzig.«
Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. »So jung? Wie ist das passiert?«
»Ach, das ist so lange her«, entgegnete Mick, als wäre damit alles
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