Die Landkarte der Zeit
monströs aussehendes, mit Hebeln und Ausbuchtungen versehenes Gewehr. Der Führer der Menschen benötigte keine Krone, um
seiner ohnehin schon majestätischen Erscheinung Glanz zu verleihen, die dem Quader, auf dem er stand, den Rang eines Denkmalsockels
verlieh. Minutenlang maßen sich er und Salomon wortlos mit Blicken, dass man die Luft knistern zu hören glaubte, wie kurz
vor dem Ausbruch eines Gewitters, bis der König der Maschinenmenschen zu sprechen begann.
«Ich habe Ihren Mut immer bewundert, Hauptmann», sagte er mit seiner metallisch klingenden Stimme, der er einen sorglosen,
beinahe frivolen Ton zu geben suchte. «Doch dieses Mal, fürchte ich, haben Sie Ihre Möglichkeiten überschätzt. Wie können
Sie es wagen, mir ohne Armee gegenüberzutreten? Sind Sie so verzweifelt, oder haben Ihre Männer Sie etwa im Stich gelassen?»
Hauptmann Shackleton schüttelte langsam den Kopf, als wäre er von den Worten seines Feindes enttäuscht.
«Wenn dieser Krieg etwas Gutes gehabt hat», antwortete er gelassen, «dann, dass er die Menschheit geeint hat wie kein anderer
Krieg zuvor.»
Shackleton gab seiner Stimme einen rhythmischen, glasklaren Klang, der Claire an Bühnenschauspieler denken ließ, die ihre
Texte deklamierten. Salomon legte den Kopf auf die Seite, als fragte er sich, was sein Widersacher gemeint haben mochte. Seine
Frage blieb nicht lange |335| unbeantwortet. Der Hauptmann hob langsam die linke Hand, als würde er sie einem Falken hinhalten, damit der sich darauf niederlasse,
und aus den Ruinen wuchsen mehrere Gestalten in die Höhe wie Pflanzen, die der kranken Erde entsprossen. Im Aufrichten rieselten
Staub und Gesteinsreste von ihnen herab. In nur wenigen Sekunden sahen sich die verwirrten Maschinenmenschen von Shackletons
Männern umzingelt. Claire spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Die Menschen waren die ganze Zeit unter den Trümmern verborgen
gewesen, hatten geduldig gewartet, weil sie wussten, dass Salomon diese Straße nehmen würde. Der Maschinenmensch war in einen
Hinterhalt geraten, der seiner Herrschaft ein Ende setzen sollte. Die Soldaten, die sich als noch schneller und wendiger erwiesen,
als sie im Vergleich mit den behäbig sich bewegenden Maschinenmenschen ohnehin schon waren, zogen ihre Gewehre aus dem Schutt,
schüttelten den Staub und den Sand von den Waffen und nahmen ohne Eile ihre Ziele ins Visier, so ruhig und souverän, wie man
eine Messe zelebriert. Das einzige Problem war, dass sie nur zu viert waren. Voller Staunen stellte Claire fest, dass sich
Shackletons berühmte Armee auf diese lächerliche Zahl reduzierte. Vielleicht hatten sich zu diesem Selbstmordkommando nicht
mehr gemeldet, möglicherweise hatten die andauernden Scharmützel die Reihen der Soldaten auch so ausgedünnt, dass wirklich
nicht mehr übrig geblieben waren. Wenigstens hatten sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, sagte sie sich, und applaudierte
innerlich den strategischen Stellungen, die sie eingenommen hatten. Zwei waren wie aus dem Nichts direkt vor den Maschinenmenschen
aufgetaucht, ein dritter |336| links vom Thron, und das Erscheinen des vierten hatte die Nachhut überrascht.
Und alle eröffneten jetzt das Feuer.
Einer der Maschinenmenschen der Vorhut bekam einen Schuss mitten in die Brust. Obwohl er aus Eisen war, zerriss ihm der Einschuss
die Panzerung und ließ Rädchen und Gestänge auf die Straße regnen, bevor die ganze Gestalt klirrend zu Boden ging. Sein Gefährte
hatte mehr Glück, denn die auf ihn abgefeuerte Kugel streifte nur die Schulter und ließ ihn taumeln. Der Soldat, der hinter
den Maschinenmenschen aufgetaucht war, zielte besser und traf den Motor eines der beiden der Nachhut, der mit dem Gesicht
nach unten lang zu Boden schlug. Fast im selben Moment traf es einen der Träger, den der Mann an der Flanke aufs Korn genommen
hatte. Einer seiner Stützen beraubt, geriet der Thron gefährlich ins Wanken, kippte schließlich um und riss den mächtigen
Salomon mit sich zu Boden.
Bislang war es für die Menschen vorbildlich gelaufen, doch als die Roboter endlich reagieren konnten, änderte sich dies. Der
Gefährte dessen, der als Erster getroffen worden war, hatte die Waffe seines Gegners ergriffen und brach sie entzwei, als
wäre sie aus Glas. Zur selben Zeit riss einer der Träger, der sich jetzt frei bewegen konnte, die Geschütztore seiner Brust
auf und feuerte auf einen der vorderen Angreifer. Der sank
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