Die Landkarte der Zeit
sterbend zu Boden, was seinen Kameraden kurz ablenkte. Ein fataler
Fehler, da der neben ihm stehende Maschinenmensch, der nur einen Streifschuss abbekommen hatte, ihn sofort angriff und ihm
einen Hieb mit seiner eisernen Faust versetzte. Der getroffene Soldat flog durch die Luft und landete ein paar |337| Meter weiter auf der Erde. Noch bevor der Maschinenmensch ihm den Rest geben konnte, sprang Shackleton wie ein Panther herbei
und tötete ihn mit einem gezielten Schuss. Die noch lebenden Soldaten lösten sich aus dem Kampfgetümmel und scharten sich
um ihren Hauptmann, während die noch auf den Beinen stehenden Maschinenmenschen ihren König in die Mitte nahmen. Claire verstand
nichts von militärischen Strategien, aber man musste nicht besonders intelligent sein, um zu begreifen, dass sich nach dem
Überraschungsmoment, durch welches die Soldaten vielleicht kurzzeitig von dem Wahnbild eines Sieges geblendet worden waren,
das Kriegsglück aufgrund der nicht zu übersehenden Kampfstärke der Maschinenmenschen mit beschämender Schnelligkeit gewendet
hatte. Jetzt waren diese zahlenmäßig überlegen, und es erschien Claire nur logisch, dass Shackleton, als guter Offizier, dem
die Sicherheit seiner Soldaten am Herzen lag, den Rückzug befehlen würde. Doch die Zukunft stand schon geschrieben, und so
verwunderte es sie nicht, als Salomons Stimme die bereits zur Flucht gewandten Menschen innehalten ließ:
«Warten Sie, Hauptmann!», rief er mit harter Stimme. «Wenn Sie wollen, können Sie jetzt gehen und den nächsten Hinterhalt
planen. Vielleicht haben Sie dann mehr Glück; doch ich fürchte, alles, was Sie damit erreichen würden, wäre nur eine weitere
Verlängerung dieses Krieges, der schon viel zu lange dauert. Sie können aber auch bleiben und ihn hier und jetzt beenden.»
Shackleton beobachtete ihn mit wachsamen Augen.
«Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Hauptmann», fuhr Salomon fort, während seine Wachen zur Seite traten, sich |338| öffneten wie eine eiserne Knospe, aus deren Mitte nun der König hervortrat. «Stellen Sie sich einem Zweikampf!»
Einer der Maschinenmenschen hatte aus dem umgestürzten Thron eine längliche Holzkiste herbeigeholt und hielt sie nun mit aufgeklapptem
Deckel Salomon hin. Der brachte mit feierlicher Geste ein wundervolles Schwert zum Vorschein, spitz zulaufend, dessen Klinge
im dämmrigen Tageslicht kurz aufschimmerte.
«Wie Sie sehen, Hauptmann, habe ich mir auch so ein Schwert schmieden lassen, wie Sie eines tragen. Damit können wir uns auf
die gleiche Weise messen, wie die Menschen es jahrhundertelang bei ihren Duellen taten. Ich habe mich in den letzten Monaten
mit diesem Schwert geübt und auf diesen Augenblick gewartet.» Wie zur Bestätigung seiner Worte führte er beidhändig einen
machtvollen Hieb durch die Luft. «Das Schwert erfordert Geschicklichkeit, Kraft und eine Nähe zum Gegner, die die verwerfliche
Pistole einem erspart. Wenn ich Ihnen also die Spitze in den Leib stoße, werden Sie mein Können hoffentlich zu würdigen wissen
und ohne Groll sterben.»
Hauptmann Shackleton dachte einige Sekunden über das Angebot nach, und in dieser Zeit schien das drückende Gewicht des Krieges
so schwer wie nie auf seinen Schultern zu lasten. Doch jetzt hatte er die Gelegenheit, alles auf eine Karte zu setzen.
«Ich nehme die Herausforderung an, Salomon. Entscheiden wir den Krieg hier und jetzt», antwortete er.
«So sei es denn», rief Salomon in feierlichem Ton, der seinen Jubel nicht ganz verbergen konnte.
Sowohl die Maschinenmenschen als auch die beiden überlebenden Soldaten traten einige Schritte zurück und |339| bildeten einen unvollständigen Kreis um die beiden Duellanten. Nun begann der dritte Akt. Shackleton zog mit einer eleganten
Bewegung sein Schwert und schlug einige Finten, vielleicht in dem Bewusstsein, dass er solche Bewegungen zum letzten Mal vollführte.
Nach dieser kurzen Vorführung hielt er seinen Blick kalt und nüchtern auf Salomon gerichtet, der sich bemühte, mit seinen
steifen Gliedmaßen die klassische Stellung eines Schwertkämpfers einzunehmen.
Mit geschmeidigen und umsichtigen Schritten, wie ein Raubtier, das seine Beute umschleicht, umrundete Shackleton den Maschinenmenschen
auf der Suche nach einer Schwachstelle, die er angreifen konnte, während Salomon nichts anderes tat, als mit ungelenk erhobenem
Schwert seinen Angriff zu erwarten. Offensichtlich wollte er seinem Rivalen die Ehre
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