Die Landkarte der Zeit
Begeisterung in die Hände.
«Magnifique!», rief er. «Bravissimo!»
Die Männer starrten ihn fragend an. Da erhob Gilliam sich und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
«Glückwunsch, meine Herren. Ich darf Sie zu Ihrer Arbeit aufs herzlichste beglückwünschen. Unsere Gäste fanden Ihre Vorstellung
faszinierend. Einige wollen die Zeitreise sogar wiederholen.»
|360| Nachdem auch Tom seinen Klaps auf die Schulter bekommen hatte, zog er sich unauffällig zurück, stellte das bemalte Stück Holz,
das Murray mit einer Unzahl von Ausformungen und Kurbelgriffen zu einer todbringenden Waffe der Zukunft aufgerüstet hatte,
in die Halterung zurück. Er musste so schnell wie möglich hier raus, sagte er sich bei dem Gedanken an Claire Haggerty und
dem Problem, das seine verdammte Blase ihm beschert hatte. Er legte die Hauptmann-Shackleton-Rüstung ab, verstaute sie sorgfältig
in seinem Spind und nahm seine Straßenkleidung aus der Schublade mit seinem Namen. Den Sonnenschirm wickelte er rasch in seine
Jacke und schaute sich um, ob jemand etwas bemerkt hatte. Murray dirigierte zwei Kellnerinnen, die mit Leberpasteten, Bratwürsten
und Bierkrügen überladene Wägelchen in die Garderobe geschoben hatten, während die übrigen Männer ebenfalls anfingen, sich
umzuzuziehen.
Er betrachtete voller Zuneigung diese Männer, mit denen zusammenzuarbeiten der Zufall ihn genötigt hatte: den sehnigen Jeff,
stets lächelnd und redselig wie kein anderer; den jungen Bradley, fast noch ein Kind, in dessen glattem Gesicht die barocke
Narbe, die sich über seine Wange zog, besonders beunruhigend wirkte; den schroffen Mike mit seinem ewig verwirrten Blick und
Martin, ein stets zu Späßen aufgelegter rothaariger Riese unbestimmten Alters, in dessen zerfurchtem Gesicht sich die Mühsal
lebenslanger Arbeit bei Wind und Wetter spiegelte. Tom fand es schon kurios, dass jeder von denen, die in Murrays Fiktion
ihr Leben für ihn gaben, sich für eine warme Mahlzeit oder ein bisschen Geld wahrscheinlich bereitfinden würde, ihm die Kehle
durchzuschneiden. Was wusste er schon von ihnen, |361| außer dass sie, genau wie er, arme Schlucker waren, die nicht mehr besaßen als das, was sie am Leib trugen? Er hatte sich
ein paarmal mit ihnen betrunken. Das erste Mal, um das mehr als annehmbare Ergebnis ihrer ersten Vorstellung zu feiern, danach
den Erfolg, den sie mit ihrer Darbietung vor der Königin gehabt und wofür sie doppelte Bezahlung bekommen hatten, und gleich
darauf ein weiteres Mal, weil sie auf den Geschmack gekommen waren und den mutmaßlichen Erfolg des nächsten Mals gleich mitfeierten.
Es war ein exzessives Besäufnis geworden, das wie die vorherigen im Bordell von Mrs. Dawson geendet hatte. Diese Ausschweifungen hatten Tom jedoch nur gezeigt, dass er sich mit den Typen besser nicht allzu sehr
verbrüderte, da sie ihn sonst bestimmt in irgendwelche misslichen Geschichten verstricken würden. Außer Martin Tucker, der
ihm trotz seiner lustigen Art als der Vernünftigste von allen erschienen war, traute er dem Rest dieser wilden Bande nicht
recht über den Weg. Genau wie er lebten sie von kleinen Gelegenheitsarbeiten, doch ihren Bemerkungen konnte er entnehmen,
dass sie keiner krummen Tour abgeneigt waren, wenn nur die Kohle stimmte. Erst vor einigen Tagen hatten Jeff Wayne und Bradley
Hollyway ihm vorgeschlagen, bei einem ihrer dunklen Geschäfte mitzumachen. Sie hatten eine Villa in Kensington Gore aufs Korn
genommen, die sie leicht ausräumen zu können glaubten. Er hatte jedoch abgelehnt; nicht nur, weil er sich vor einigen Wochen
geschworen hatte, sich auf möglichst ehrliche Weise durchzuschlagen, sondern auch, weil er sich bei krummen Dingern lieber
auf sich allein verließ. Wer sich nur auf sich verließ, konnte nicht von anderen verraten werden. Er zog sein Hemd an und
begann |362| es zuzuknöpfen, als er aus dem Augenwinkel Gilliam Murray herankommen sah.
«Ich wollte dir noch einmal persönlich gratulieren, Tom», sagte er sichtlich zufrieden und reichte ihm die Hand. Tom schüttelte
sie mit einem gezwungenen Lächeln. «Du weißt, ohne dich würden wir das gar nicht machen können. Niemand spielt den tapferen
Hauptmann Shackleton besser als du.»
Tom rang sich ein höfliches Lächeln ab. Sollte das vielleicht eine versteckte Anspielung auf Perkins sein? Wie ihm zu Ohren
gekommen war, war dieser Perkins ursprünglich als Shackleton vorgesehen gewesen, doch
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