Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
Vom Netzwerk:
Begeisterung in die Hände.
    «Magnifique!», rief er. «Bravissimo!»
    Die Männer starrten ihn fragend an. Da erhob Gilliam sich und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
    «Glückwunsch, meine Herren. Ich darf Sie zu Ihrer Arbeit aufs herzlichste beglückwünschen. Unsere Gäste fanden Ihre Vorstellung
     faszinierend. Einige wollen die Zeitreise sogar wiederholen.»
    |360| Nachdem auch Tom seinen Klaps auf die Schulter bekommen hatte, zog er sich unauffällig zurück, stellte das bemalte Stück Holz,
     das Murray mit einer Unzahl von Ausformungen und Kurbelgriffen zu einer todbringenden Waffe der Zukunft aufgerüstet hatte,
     in die Halterung zurück. Er musste so schnell wie möglich hier raus, sagte er sich bei dem Gedanken an Claire Haggerty und
     dem Problem, das seine verdammte Blase ihm beschert hatte. Er legte die Hauptmann-Shackleton-Rüstung ab, verstaute sie sorgfältig
     in seinem Spind und nahm seine Straßenkleidung aus der Schublade mit seinem Namen. Den Sonnenschirm wickelte er rasch in seine
     Jacke und schaute sich um, ob jemand etwas bemerkt hatte. Murray dirigierte zwei Kellnerinnen, die mit Leberpasteten, Bratwürsten
     und Bierkrügen überladene Wägelchen in die Garderobe geschoben hatten, während die übrigen Männer ebenfalls anfingen, sich
     umzuzuziehen.
    Er betrachtete voller Zuneigung diese Männer, mit denen zusammenzuarbeiten der Zufall ihn genötigt hatte: den sehnigen Jeff,
     stets lächelnd und redselig wie kein anderer; den jungen Bradley, fast noch ein Kind, in dessen glattem Gesicht die barocke
     Narbe, die sich über seine Wange zog, besonders beunruhigend wirkte; den schroffen Mike mit seinem ewig verwirrten Blick und
     Martin, ein stets zu Späßen aufgelegter rothaariger Riese unbestimmten Alters, in dessen zerfurchtem Gesicht sich die Mühsal
     lebenslanger Arbeit bei Wind und Wetter spiegelte. Tom fand es schon kurios, dass jeder von denen, die in Murrays Fiktion
     ihr Leben für ihn gaben, sich für eine warme Mahlzeit oder ein bisschen Geld wahrscheinlich bereitfinden würde, ihm die Kehle
     durchzuschneiden. Was wusste er schon von ihnen, |361| außer dass sie, genau wie er, arme Schlucker waren, die nicht mehr besaßen als das, was sie am Leib trugen? Er hatte sich
     ein paarmal mit ihnen betrunken. Das erste Mal, um das mehr als annehmbare Ergebnis ihrer ersten Vorstellung zu feiern, danach
     den Erfolg, den sie mit ihrer Darbietung vor der Königin gehabt und wofür sie doppelte Bezahlung bekommen hatten, und gleich
     darauf ein weiteres Mal, weil sie auf den Geschmack gekommen waren und den mutmaßlichen Erfolg des nächsten Mals gleich mitfeierten.
     Es war ein exzessives Besäufnis geworden, das wie die vorherigen im Bordell von Mrs.   Dawson geendet hatte. Diese Ausschweifungen hatten Tom jedoch nur gezeigt, dass er sich mit den Typen besser nicht allzu sehr
     verbrüderte, da sie ihn sonst bestimmt in irgendwelche misslichen Geschichten verstricken würden. Außer Martin Tucker, der
     ihm trotz seiner lustigen Art als der Vernünftigste von allen erschienen war, traute er dem Rest dieser wilden Bande nicht
     recht über den Weg. Genau wie er lebten sie von kleinen Gelegenheitsarbeiten, doch ihren Bemerkungen konnte er entnehmen,
     dass sie keiner krummen Tour abgeneigt waren, wenn nur die Kohle stimmte. Erst vor einigen Tagen hatten Jeff Wayne und Bradley
     Hollyway ihm vorgeschlagen, bei einem ihrer dunklen Geschäfte mitzumachen. Sie hatten eine Villa in Kensington Gore aufs Korn
     genommen, die sie leicht ausräumen zu können glaubten. Er hatte jedoch abgelehnt; nicht nur, weil er sich vor einigen Wochen
     geschworen hatte, sich auf möglichst ehrliche Weise durchzuschlagen, sondern auch, weil er sich bei krummen Dingern lieber
     auf sich allein verließ. Wer sich nur auf sich verließ, konnte nicht von anderen verraten werden. Er zog sein Hemd an und
     begann |362| es zuzuknöpfen, als er aus dem Augenwinkel Gilliam Murray herankommen sah.
    «Ich wollte dir noch einmal persönlich gratulieren, Tom», sagte er sichtlich zufrieden und reichte ihm die Hand. Tom schüttelte
     sie mit einem gezwungenen Lächeln. «Du weißt, ohne dich würden wir das gar nicht machen können. Niemand spielt den tapferen
     Hauptmann Shackleton besser als du.»
    Tom rang sich ein höfliches Lächeln ab. Sollte das vielleicht eine versteckte Anspielung auf Perkins sein? Wie ihm zu Ohren
     gekommen war, war dieser Perkins ursprünglich als Shackleton vorgesehen gewesen, doch

Weitere Kostenlose Bücher