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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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eleganter, zierlicher Sonnenschirm, der die vornehme Abkunft seiner Besitzerin verriet. Was
     sollte er damit anfangen? Eines war klar: dort liegen lassen konnte er ihn nicht.
    Mit dem Sonnenschirm unter dem Arm ging er zu seinen Männern zurück und versuchte unterwegs, seine Fassung wiederzugewinnen.
     Er musste das ungläubige Erstaunen aus seinem Gesicht verbannen, wenn er bei den Männern keinen Argwohn erregen wollte. In
     diesem Augenblick stürzte Salomon mit erhobenem Schwert hinter einem Mauerrest hervor. Obwohl in Gedanken versunken, reagierte
     der tapfere Hauptmann Shackleton unverzüglich und schlug mit dem Sonnenschirm auf den Maschinenmenschen ein, der mit eisenrauer
     Stimme nach Rache schrie. Natürlich konnte er ihm damit keinen Schaden zufügen; aber der unerwartete Schlag brachte Salomon
     aus dem Gleichgewicht, er geriet ins Schwanken, dann stürzte er den Abhang hinunter, der hinter ihm abfiel. Mit dem zerbrochenen
     Sonnenschirm in der Hand beobachtete Shackleton, wie sein Feind scheppernd nach unten kollerte, bis er hart gegen einen großen
     Stein prallte und liegen blieb. Nach dem lärmenden Sturz folgten einige Sekunden absoluter Stille, in denen Salomon, von einer
     dichten Staubwolke umwogt, in seiner ganzen Länge am Boden lag. Dann rappelte er sich mühsam auf und versuchte fluchend auf
     die Beine zu |355| kommen, was bei den herbeigeeilten Männern, Menschen wie Maschinen, unbändiges Gelächter hervorrief.
    «Was gibt’s da zu lachen, ihr Bastarde. Ich hätte mir was brechen können», knurrte Salomon und sorgte damit für noch lauteres
     Gelächter.
    «Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein», rief Shackleton schadenfroh, als er den Hügel herabgerannt kam und ihm
     helfend die Hand hinhielt. «Hast du nicht langsam genug von deinen Spielchen?»
    «Du warst verdammt lange fort, mein Freund», antwortete der Maschinenmensch und ließ sich von Shackleton sowie zwei weiteren
     Soldaten hochziehen. «Darf man erfahren, was du da oben gemacht hast?»
    «Ich war pinkeln», erwiderte der Hauptmann. «Ach übrigens, meinen Glückwunsch zu dem Duell. Ich glaube, das war das beste
     bisher.»
    «Das stimmt», bestätigte einer der Soldaten, die Salomon auf die Beine geholfen hatten. «Ihr wart wirklich großartig. Nicht
     einmal für Ihre Majestät habt Ihr so gut gekämpft.»
    «Freut mich zu hören. Aber du agierst auch wesentlich entspannter, wenn du dich nicht von der Königin beobachtet weißt. Sich
     in dieser Rüstung zu bewegen ist in jedem Fall eine Qual   …», sagte Salomon, während er sich den Kopf abschraubte.
    Als er es geschafft hatte, schnappte er wie ein Fisch nach Luft. Sein rotes Haar klebte am Schädel, auf seinem breitflächigen
     Gesicht perlte der Schweiß.
    «Du solltest dich nicht beschweren, Martin», warf der Maschinenmensch mit der zerschossenen Brust ein, der ebenfalls seinen
     Kopf abgenommen hatte. «Immerhin hast |356| du eine Hauptrolle. Ich dagegen hab nicht mal Zeit, mir einen der Soldaten vorzunehmen, da bin ich schon alle. Zudem muss
     ich mir noch selbst die Brust aufsprengen.»
    «Aber dabei läufst du ja keine Gefahr, Mike, das weißt du doch. Wir können Mr.   Murray ja den Vorschlag machen, beim nächsten Mal die Rollen zu tauschen», schlug der junge Mann vor, der den Hauptmann Shackleton
     gespielt hatte.
    «Genau, Tom! Ich übernehme die Rolle von Jeff, und er übernimmt meine», rief der Mann, der den Maschinenmenschen spielte,
     welcher als Erster fiel, und zeigte auf den Soldaten, dessen Aufgabe es war, ihn umzuschießen.
    «Das kannst du vergessen, Mike. Ich freue mich schon die ganze Woche darauf, dir eins verpassen zu können. Außerdem werde
     ich ja hinterher von Bradley umgelegt», entgegnete Jeff und deutete seinerseits auf den Burschen, der hinter einem der Thronträger
     stand, dem eine Narbe über die ganze linke Wange bis zum Auge hinauflief.
    «Was ist das?», fragte er und wies auf den Gegenstand in Toms Hand.
    «Ein Sonnenschirm», antwortete der und zeigte ihn den Männern. «Einer von den Passagieren muss ihn vergessen haben.»
    Jeff stieß einen Pfiff aus.
    «Der muss ja ein Vermögen gekostet haben», sagte er, während er ihn neugierig untersuchte. «Jedenfalls mehr, als man uns für
     das hier bezahlt.»
    «Das hier ist immer noch besser, als im Bergwerk zu schuften oder sich im Manchester-Kanal den Rücken zu verbiegen, Jeff,
     das kann ich dir versichern», bemerkte Martin.
    |357| «Na, das ist ja

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