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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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anderer Mensch geworden. Er war nicht mehr der Möchtegernschriftsteller,
     der seinem Meister huldigt, sondern der Besitzer des lukrativsten Unternehmens der Stadt, dem ganz London seine groteske Reverenz
     erwies. Wells war natürlich |559| nicht der Meinung, dass er dies verdient hatte, und wenn er ihn in diesem überheblichen Ton mit sich reden ließ, dann schlicht
     und einfach deswegen, weil er der Meinung war, dass Murray ein Recht dazu hatte, denn er war als eindeutiger Sieger aus dem
     Duell hervorgegangen, das sie in den vergangenen Monaten ausgetragen hatten. Und hatte Wells nicht einen ähnlichen Ton angeschlagen,
     als er noch das Zepter in Händen hielt?
     
    Wie ein Zirkusdirektor, der den Beginn der Vorstellung ankündigt, breitete Gilliam Murray die Arme aus, umfasste symbolisch
     die ganze Verwüstung, die sie umgab.
    «Nun, was halten Sie von meiner Welt?», fragte er.
    Wells begegnete seinem Blick mit vollkommener Gleichgültigkeit.
    «Eine außergewöhnliche Leistung für einen Gewächshauskonstrukteur, meinen Sie nicht, Mr.   Wells? Denn bevor Sie mir ein neues Lebensziel gaben, habe ich Gewächshäuser gebaut.»
    Wells war nicht entgangen, mit welch unbekümmerter Fröhlichkeit Gilliam ihm die Verantwortlichkeit für seinen neuen Lebensinhalt
     zuschrieb, doch zog er es vor, sich jeder Bemerkung dazu zu enthalten. Ohne sich von der abweisenden Haltung seines Besuchers
     entmutigen zu lassen, forderte Gilliam ihn mit einer Handbewegung zu einem Spaziergang durch die Zukunft auf. Wells zögerte
     einen Moment, doch dann folgte er ihm lustlos.
    «Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist, aber Gewächshäuser sind ein lukratives Geschäft», informierte ihn Gilliam. «Heutzutage
     hält sich jeder in seinem Garten so ein Plätzchen, wo er unabhängig vom Diktat der Jahreszeiten |560| Pflanzen und Obstbäume ziehen kann. Allerdings hatte mein Vater, Sebastian Murray, immer schon höherfliegende Pläne.»
    Sie waren erst ein kurzes Stück gegangen, als sie an eine abschüssige Stelle kamen, die der Unternehmer mit lächerlichen Trippelschritten
     hinuntereilte, wobei er, um das Gleichgewicht zu halten, die Arme zur Seite streckte. Sein Hund folgte ihm auf dem Fuß. Mit
     einem Seufzer begann Wells gleichfalls den Abstieg und versuchte, nicht über herumliegende Leitungsrohre und grinsende Totenschädel
     zu stolpern, die überall lagen. Einmal am Tag auf die Nase zu fallen reichte ihm vollkommen.
    «Mein Vater ahnte, dass in diesen durchsichtigen Häuschen, die sich die Reichen in ihre Gärten stellten, der Keim der Zukunft
     lag», schrie Gilliam, während er vor ihm den Abhang hinunterhüpfte, «dass sie die Speerspitze einer zukünftigen Welt aus gläsernen
     Städten mit durchsichtigen Gebäuden waren, in denen es keine Geheimnisse mehr geben und die Intimität des Menschen aufgehoben
     sein würde. Eine bessere Welt, in der die Lüge keinen Platz mehr hätte!»
    Unten angekommen, reichte er Wells die Hand, die dieser jedoch ausschlug. Er gab sich keine Mühe mehr, seinen wachsenden Ärger
     zu verbergen. Gilliam tat, als ob er nichts merkte, und setzte seinen Weg fort.
    «Ich muss Ihnen gestehen, als Kind war ich fasziniert von dieser großartigen Vision, die das Leben meines Vaters bestimmte.
     Eine Zeitlang glaubte ich sogar, die Zukunft würde wirklich so aussehen. Bis ich sechzehn wurde und bei ihm zu arbeiten begann.
     Da begriff ich, dass es nur eine schöne Illusion war. Es war ganz offensichtlich, |561| dass dieser Zeitvertreib von Ingenieuren und Gärtnern niemals die Architektur der Zukunft sein konnte. Nicht nur, weil der
     Mensch niemals seine Privatheit einer noch so harmonischen Öffentlichkeit opfern würde, sondern weil die Architekten Glas
     und Eisen ablehnten und diesen neuen Materialien den ästhetischen Wert absprachen, der Architektur ihrer Meinung nach erst
     ausmachte. Mir wurde sofort klar, dass dies die traurige Wirklichkeit war und dass mein Vater und ich trotz der Eisen-Glas-Konstruktionen
     all der Bahnhöfe, die wir in England bauten, die Herrschaft des Ziegelsteins niemals würden brechen können. Also fand ich
     mich damit ab, für den Rest meines Lebens hübsche Gewächshäuser zu bauen. Doch ich frage Sie, Mr.   Wells, kann so ein albernes, belangloses Tun einem Mann Befriedigung geben? Mir jedenfalls nicht. Aber ich wusste auch nicht,
     was mich befriedigen konnte. Mit meinen etwas über zwanzig Jahren hatte ich genug Geld verdient, um mir jede Extravaganz

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