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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Ihren Briefkästen Ihnen bewiesen haben dürfte, komme
     ich nicht nur aus der Zukunft, sondern kann mich nach Belieben in jede Richtung der Zeit bewegen.»
     
    Draußen heulte der Wind um das verwunschene Haus, doch drinnen war nur das leise Knacken der Kerzenflämmchen zu hören, die
     lüsterne Schatten auf die Wände warfen. Die Stimme des Zeitreisenden klang befremdlich sanft, als wäre seine Kehle mit Samt
     ausgeschlagen, als er sagte:
    «Bevor ich Ihnen jedoch erzähle, wie ich das bewerkstellige, erlauben Sie, dass ich mich vorstelle, damit Sie nicht glauben,
     in der Zukunft hätten die elementarsten Regeln der Höflichkeit keine Geltung mehr. Mein Name ist Marcus Rhys, und ich bin
     von Beruf Bibliothekar.»
    «Bibliothekar?», fragte James, plötzlich interessiert.
    «Ja, Bibliothekar, in einer sehr speziellen Bibliothek allerdings. Aber lassen Sie mich mit dem Anfang beginnen. Wie Sie feststellen
     konnten, wird der Mensch einmal durch die Zeit reisen, aber er wird das nicht mit einer Maschine tun, wie Sie sie in Ihrem
     Roman beschreiben, Mr.   Wells. Auch werden Zeitreisen keineswegs alltäglich sein. Nein, in den nächsten hundert Jahren werden sich Wissenschaftler, |612| Physiker und Mathematiker aus aller Welt in endlosen Diskussionen über die Möglichkeit von Zeitreisen verzetteln und zahllose
     Theorien aufstellen, wie man diese Wirklichkeit werden lassen kann. Sie alle werden jedoch an der unbestechlichen Natur des
     Universums scheitern, das leider nur unzureichende physische Voraussetzungen aufweist, um Ihre Hypothesen in den Bereich des
     Machbaren zu bringen. Irgendwie sieht es so aus, als wäre das Universum gegen Zeitreisen geschützt; als wären diese etwas
     Widernatürliches, und Gott hätte seine Schöpfung dagegen abgeschottet.» Der Zeitreisende machte eine Pause und betrachtete
     seine Besucher mit Augen, die sie wie schwarze Rattenlöcher anstarrten. «Aber trotzdem, die Wissenschaftler meiner Zeit wollen
     davon nichts wissen und versuchen weiter alles Mögliche, um den Lieblingstraum der Menschen Wirklichkeit werden zu lassen,
     der darin besteht, sich nach Lust und Laune kreuz und quer durch die Zeit zu bewegen. Obwohl alle Bemühungen am Ende nutzlos
     sein werden. Wissen Sie, warum? Weil nicht die Wissenschaft es sein wird, die Zeitreisen möglich machen wird.»
    Marcus begann den Lichtkreis abzuschreiten, als würden ihm sonst die Beine einschlafen. Die fragenden Blicke der Schriftsteller
     schien er nicht wahrzunehmen. Schließlich hielt er am Ausgangspunkt seiner Wanderung inne und schaute die Schriftsteller an
     mit einem Lächeln, das an den abblätternden Putz einer Wand erinnerte.
    «Nein, das Geheimnis der Reisen durch die Zeit ist immer schon in unseren Köpfen gewesen», sagte er mit einer gewissen Befriedigung.
     «Denn die Kapazitäten unseres Hirns sind unerschöpflich, Gentlemen.»
     
    |613| Im Lichtschein der Kerzen dozierte der Zeitreisende mit der samtenen Stimme vor den drei Herren, in deren Epoche die Wissenschaft
     sich eben erst anschickte, vom Studium der Schädelmaße in das Innere des Denkens vorzudringen und dem Funktionieren des Gehirns
     mit so primitiven Methoden wie operativen Eingriffen und Elektroschocks auf den Grund zu kommen, ohne noch im Entferntesten
     zu ahnen, welch gewaltiges Potential im menschlichen Hirn schlummerte.
    «Ah, das menschliche Hirn», seufzte er. «Das größte Geheimnis des Universums wiegt nur eintausendvierhundert Gramm, und Sie
     werden vielleicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass wir nur zwanzig Prozent davon nutzen. Was wir bewirken könnten,
     wenn wir es in seiner Gänze ausnutzten, ist selbst für uns noch ein Rätsel. Wohl hingegen haben wir herausgefunden, dass eines
     der vielen Wunder, die sich unter der Hirnrinde verbergen, jene Möglichkeit ist, uns durch die Zeit zu bewegen.» Nach einer
     kurzen Pause fuhr er fort: «Allerdings muss ich gestehen, dass auch unsere Wissenschaftler noch nicht genau wissen, wodurch
     dies erreicht werden kann. Klar ist nur, dass der Mensch über eine Art gelenktes Bewusstsein verfügt, das ihn befähigt, sich
     ebenso durch die Zeit zu bewegen, wie er sich durch den Raum bewegen kann. Zwar ist er noch weit davon entfernt, diese Möglichkeit
     gezielt einzusetzen, aber wie Sie sich vorstellen können, ist allein das Wissen darum eine gewaltige Errungenschaft.»
    «In unserem Gehirn   …», murmelte Stoker, fasziniert wie ein Kind.
    Marcus betrachtete ihn

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