Die Landkarte der Zeit
sich auf dem Totenbett sein Leben erzählt. Doch das ist immer eine unvollständige, bruchstückhafte
Geschichte, denn nur ein Mensch, der gleich nach seiner Geburt auf einer verlassenen Insel landet, dort ohne andere Gesellschaft
als eine Handvoll einheimischer Affen aufwächst, älter wird und stirbt, kann ohne Gefahr eines Irrtums behaupten, dass sein
Leben genau so verlaufen ist, wie er es glaubt. Aber extreme Fälle wie schiffbrüchige Kleinkinder ausgenommen, ist der Mensch
Teil eines großen Wandgemäldes, verflicht er sein Leben mit vielen anderen Seelen, die über sein Tun sowohl in seinem Angesicht
wie in seinem Rücken befinden. Und so kann wohl nur einer, der die übrige Welt für eine Bühne voller Marionetten hält, die
zu zappeln aufhören, wenn er sich schlafen legt, annehmen, dass sein Leben genau so verlaufen ist, wie er es erzählt. Ist
dies nicht der Fall, wird er sich, kurz bevor er seinen letzten Schnaufer tut, damit abfinden müssen, dass seine Vorstellung
vom eigenen Leben nur eine annähernde, willkürliche, |261| fragwürdige sein kann; dass es Dinge gibt, die sein Leben zum Guten oder zum Schlechten beeinflusst haben und die er niemals
wissen wird: von seiner Frau, die eine Zeitlang die Geliebte des Bäckers war, bis zum Hund des Nachbarn, der auf seine Azaleen
pinkelte, sobald er das Haus verlassen hatte. Und so, wie Charles nicht den grazilen Walzer gesehen hat, den das Blatt auf
der Pfütze tanzte, hat Andrew nicht gesehen, wie sein Cousin den Hut aus dem Haus geholt hat. Wir wissen, dass er viel zu
beschäftigt war mit Grübeleien über Welten und Kästen mit doppelten Böden, um sich über das Tun seines Cousins Gedanken zu
machen.
Ich hingegen sehe alles und höre alles. Daher wird es unvermeidlich sein, ein paar Augenblicke zurückzugehen bis zu jenem
Moment, in dem Charles das Fehlen seines Hutes bemerkt und zum Haus des Schriftstellers zurückgeht. Nun werden Sie sich vielleicht
fragen, von welchem Interesse ein unbedeutender Akt wie das Zurückholen eines vergessenen Hutes für diese Geschichte sein
soll. Von absolut gar keinem, würde ich antworten, wenn es wirklich so wäre, dass Charles seinen Hut im Haus vergessen hätte.
Doch nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen.
«Oh, ich habe meinen Hut vergessen», sagte Charles, als Andrew schon in der Kutsche saß. «Ich bin gleich zurück, mein Lieber.»
Mit eiligen Schritten durchquerte Charles den Vorgarten und betrat das Haus des Schriftstellers auf der Suche nach dem kleinen
Wohnzimmer, in das sie Andrew gebracht hatten. Dort erwartete ihn sein Hut, der unbekümmert an einem Haken der Garderobe hing,
genau dort, wo er ihn zurückgelassen hatte. Er nahm ihn lächelnd an sich und |262| trat auf den Flur hinaus, doch anstatt zurückzukehren, woher er gekommen war, wie es folgerichtig gewesen wäre, drehte er
sich um und stieg die Leiter zum Dachboden hinauf. Dort traf er den Schriftsteller und dessen Frau an, die sich im Licht einer
neben der Zeitmaschine auf dem Boden stehenden Kerze bewegten. Charles machte sich mit einem lauten Räuspern bemerkbar, bevor
er ihnen mit Triumph in der Stimme mitteilte:
«Ich glaube, es hat funktioniert. Mein Cousin hat alles geglaubt.»
Wells und Jane waren dabei, die Ruhmkorffinduktoren einzusammeln, die sie zwischen dem Gerümpel des Dachbodens versteckt hatten.
Charles achtete darauf, nicht auf den Druckschalter zu treten, mit dem von der Tür her die donnernden Blitzentladungen ausgelöst
worden waren, die seinen Cousin so geängstigt hatten. Als er Wells von seinem Plan erzählt hatte, bei dem dieser ihm helfen
sollte, hatte der Schriftsteller den Einsatz dieser teuflischen Induktoren vorgeschlagen. Etwas beschämt hatte er daraufhin
eingestanden, zu den Zuschauern gehört zu haben, die aus dem Museum geflohen waren, in dem der Erfinder, ein blasser hochgewachsener
Kroate namens Nicola Tesla, dieses Teufelswerk vorgeführt und den ganzen Saal mit diesen blauen Blitzen erfüllt hatte, die
einem die Haare zu Berge stehen ließen. Wells hatte ihm jedoch versichert, diese harmlosen Artefakte seien sein geringstes
Problem. Außerdem sei es ganz nützlich, sich mit der Erfindung, die die Welt revolutionieren würde, vertraut zu machen, hatte
er hinzugefügt, bevor er mit ehrfürchtiger Stimme berichtete, wie Tesla an den Niagarafällen ein Wasserkraftwerk gebaut hatte,
das die ganze Stadt Buffalo mit Elektrizität versorgte.
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