Die Landkarte des Himmels
die sie mit ihren Hitzestrahlen töteten, mehr sein könnten als Ungeziefer; dass es Lebewesen mit Träumen und Wünschen waren, manche sogar mit dem ganz konkreten Wunsch, weiterleben zu wollen, um die Liebe der geliebten Frau zu gewinnen.
«Was muss ich tun, damit Sie mich lieben können?», fragte Murray zärtlich, als die Explosion verklungen war. «Vielleicht habe ich noch Zeit, bevor wir sterben.»
Emma lächelte dankbar, weil Murray sie nicht noch dieses letzte Mal belogen und gesagt hatte, sie kämen hier heraus, wie jeder andere das getan hätte. Sie war dankbar, dass der große Kerl auch darin anders war als andere.
«Ich habe schon gesehen, dass Sie imstande sind, für mich zu töten; sogar ein Monster aus dem Fenster zu werfen», sagte sie mit belustigtem Lächeln. «Für jede andere junge Dame wäre das vielleicht schon genug, doch ich brauche etwas mehr, obwohl ich nicht genau weiß, was es ist. Was aber nicht so schlimm ist, weil Sie ohnehin keine Zeit dafür hätten.» In ihrem Blick lagen Zärtlichkeit und Resignation, als sie seine Hände in die ihren nahm. Murray ließ es mit so hingerissener Miene geschehen, dass Emma seufzen musste. Und dann begannen ihre Augen mit einem Mal zu leuchten. «Sie können meine Liebe gewinnen mit etwas, das Sie schon getan haben! Ja, genau! Was haben Sie im Laufe Ihres Lebens getan, womit Sie meine Liebe gewinnen können, Gilliam?»
Murray atmete heftig. Sie hatte wieder seinen Namen ausgesprochen! In ihrem Mund war er wie ein Stück Kuchen oder ein Löffel Honig, eingesammelt von Bienen auf einer Frühlingsblumenwiese.
«Ich fürchte, nichts», erwiderte er bekümmert. «Hätte ich gewusst, dass ich mit meinen Taten Ihre Liebe gewinnen muss, hätte ich ein völlig anderes Leben geführt, das versichere ich Ihnen. Aber mir ist nie in den Sinn gekommen, dass ich einmal eine Dame damit beeindrucken müsste; schon gar nicht eine Dame wie Sie.»
Er lehnte sich im Sofa zurück und betrachtete sie voller Kummer. Er liebte diese Frau, und das war vielleicht der Grund, dass er sie kannte, ohne sie eigentlich zu kennen. Und er würde sie immer lieben, auch wenn sie ihm erzählen würde, sie hätte in ihrer Vergangenheit geraubt und getötet, denn weil er sie liebte, würde ihm nichts von allem als schlecht erscheinen. Seine Liebe zu ihr war so stark und so irrational, dass er sie niemals würde richten können. Er liebte sie für das, was sie war; unabhängig davon, was sie jemals getan oder nicht getan hatte. Er liebte sie für ihre Schönheit; obwohl es billig wäre, das zu sagen. Es wäre vielleicht genauer zu sagen, dass er sie für die Art liebte, in der sie auf der Welt war: für ihre Augen, ihr Lächeln, ihre Bewegungen, für die Sanftheit, mit der sie gemordet oder geraubt haben würde. Aber sie liebte ihn nicht für das, was er war. Wie konnte sie auch?, sagte er sich, das Spiegelbild eines ungeschlachten Riesenbabys betrachtend, das der Spiegel an der Wand ihm zurückwarf. Seine Art, auf der Welt zu sein, war schlimmer als die eines Kaktus. Emma konnte ihn nur für das lieben, was in ihm war, für das, was er zu tun imstande war oder vielleicht getan hatte; aber leider würde er nicht mehr viel tun können, und im Schatzkästlein seiner Vergangenheit gab es nicht eine noble Geste, auf die er stolz sein konnte, keine selbstlose Tat, die ihm jetzt als Eintrittskarte zur Liebe dieser Frau hätte dienen können.
«Was müsste ein Mann denn tun, um Sie in sich verliebt zu machen?», fragte er mehr aus Neugier, denn aus einem anderen Grund, da es für ihn eine ausgemachte Sache war, dass er es – was immer es sein mochte – nicht einmal irrtümlich getan hatte. «Und hat schon einmal jemand etwas getan, für das Sie sich in ihn hätten verlieben können?»
Emma schaute ihn mit halbgeschlossenen Augen verträumt an, und wenn Murray etwas von der schweren Kunst der Malerei verstanden hätte, hätte er diesen Blick gern auf einer Leinwand verewigt. Da seine Geschicklichkeit im Umgang mit Pinseln aber gleich null war, um es vorsichtig auszudrücken, musste er sich damit begnügen, jede Einzelheit ihres Gesichtsausdrucks in seinem Gedächtnis abzulegen und es dort mit seinen wertvollsten Erinnerungen zu verwahren.
«Mein Urgroßvater», sagte Emma schließlich.
«Richard Locke …, der Schwindler …?», rief Murray überrascht.
«Nennen Sie ihn nicht so!», wies Emma ihn zurecht. «Ich weiß, dass er die ganze Welt beschwindelt hat, dass er mich und uns alle
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