Die Landkarte des Himmels
um mich zu begrüßen, und damit die Erstarrung der Versammlung löste.
«Mein Gott, Charles! Gut, dass du wieder da bist!», rief er, glücklich, mich wohlbehalten vor sich zu sehen. «Wir wussten ja nicht, was draußen vor sich geht, und hatten Angst um dich.»
«Mir geht es gut, Andrew, sei unbesorgt», antwortete ich und registrierte voller Missvergnügen, wie ein paar Dienstmädchen über den jämmerlichen Zustand meiner Kleidung tuschelten.
«Man hörte überall nur Explosionen. Das hat uns alle nervös gemacht, und darum sind wir hier nach unten gegangen», erklärte Andrew und deutete mit dem Glas in der Hand durchs Zimmer. «Harold hat sogar angefangen, uns eine amüsante Geschichte zu erzählen, damit wir auf andere Gedanken kommen.»
Der Kutscher machte eine wegwerfende Handbewegung, wie um zu verdeutlichen, dass die Unterbrechung unerheblich sei.
«Nichts, was nicht Zeit hätte, später noch erzählt zu werden, Sir», sagte er.
Der Hausdiener deutete diensteifrig auf ein Tablett mit Gläsern, das auf einem Couchtisch stand.
«Nehmen Sie, Sir. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie jetzt einen Brandy brauchen können.»
Ich dankte ihm zerstreut, immer noch bemüht, die schrecklichen Bilder von draußen mit der entspannten Atmosphäre hier unten in Einklang zu bringen.
«Was geht da oben vor, Charles?», fragte Andrew, nachdem ich einen Schluck von dem Brandy getrunken hatte. «Ist das wirklich eine … Invasion?»
Aller Augen waren erwartungsvoll auf mich gerichtet.
«Ich fürchte, ja. Die Kampfmaschinen sind in der ganzen Stadt und …» Ich hielt inne, weil ich nicht wusste, wie ich das ganze Verderben, dessen Zeuge ich geworden war, in Worte fassen sollte. Aber es war unmöglich, darum herumzureden. «Sie sind dabei, London vollständig zu zerstören. Die Armee ist geschlagen. Niemand kann uns mehr helfen. Wir sind ihnen vollkommen ausgeliefert.»
Empörtes Gemurmel erhob sich. Zwei Dienstmädchen fingen an zu weinen. Meine Frau und ihre Schwester umarmten sich, das Gleiche tat Mr. Peachey mit seiner Frau, die ihren Kopf wie ein verschrecktes Kind an seine Brust drückte. Neben mir schnaufte mein Cousin.
«Allmächtiger … eine Invasion der Marsmenschen …», flüsterte er mit versagender Stimme.
Es schien so, als hätten sie sich bis jetzt geweigert, daran zu glauben, obwohl trotz der Musik ununterbrochen ferne Explosionen zu hören waren. Als ich sie so ratlos und untröstlich dastehen sah, begriff ich, dass sie sich zwar in die Villa meines Onkels geflüchtet hatten, im Stillen jedoch weiterhin hofften, ich möge recht behalten und die Invasion könne noch abgewendet werden. Mein Cousin machte sogar ein enttäuschtes Gesicht, als hätte ich dadurch, dass ich mich in meiner Voraussage geirrt hatte, Verrat an ihnen begangen. Alle Anwesenden betrachteten mich, als hätten sie von mir den lang erwarteten Befehl erhalten, jetzt endlich zittern zu dürfen. «Mein Gott», murmelten mehrere vom Personal in nervöser Litanei und warfen einander hilflose Blicke zu.
«Aber keine Angst», versuchte ich sie mit Worten zu beruhigen, die ich, nach dem, was ich gesehen hatte, selbst nicht glauben konnte, «es wird bestimmt noch ein glückliches Ende nehmen, da bin ich mir sicher.»
Victoria schüttelte den Kopf, auf ihren Lippen lag ein Ausdruck von Traurigkeit und Ironie. Wann würde ich mich endlich geschlagen geben?
«Warum sagen Sie das, Mr. Winslow?», fragte Claire hoffnungsvoll und hob den Kopf von der Brust ihres Mannes.
Ich holte tief Luft, bevor ich antwortete. Ich wusste, dass es schwer werden würde, meine Zuhörer zu überzeugen, und nach meinen Erlebnissen draußen hatte ich ja selbst schon in Betracht gezogen, dass meine Prophezeiungen falsch sein könnten. Trotzdem versuchte ich meine Annahmen mit einfachen Worten verständlich zu machen, die vorwurfsvollen Blicke meiner Gattin dabei geflissentlich ignorierend.
«Wie Sie wissen, Mrs. Peachey, haben einige von uns – Sie eingeschlossen – die Reise ins Jahr 2000 unternommen und dort eine Zukunft kennengelernt, in der die einzige Bedrohung des Planeten im Aufstand der Maschinenmenschen bestand. Das kann ganz offensichtlich nichts anderes bedeuten, als dass die Invasion, die wir gerade erleben, zum Scheitern verurteilt ist. Ich bin überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis etwas passiert, das sie beenden wird. Ich weiß nur noch nicht was. Das wird uns die Zukunft zeigen.»
«Auf die Zukunft würde ich nicht viel
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