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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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geben, denn wie ihr Name schon sagt, ist sie etwas, das erst noch stattfinden muss», bemerkte ihre Ehemann, dieser Peachey.
    Verärgert über seinen Einwurf, schaute ich ihn mit übertrieben hochgezogenen Brauen fragend an, woraufhin Claire ihn mir hastig vorstellte. Das waren wir selbst in einer solchen Ausnahmesituation unserer Abkunft und altehrwürdigen Erziehung schuldig.
    «Charles, dies ist mein Ehemann, John Peachey», sagte sie.
    Sobald sein Name fiel, streckte er mir die Hand hin, als fürchte er, irgendeine Höflichkeitsregel zu verletzen, wenn er eine Sekunde zu lange wartete. Ich ergriff sie widerwillig, denn ich muss gestehen, dass dieser Peachey nicht den besten Eindruck auf mich machte, was gewiss nicht nur daran lag, dass er mir widersprochen hatte. Ich hege ein unwiderstehliches Missfallen gegen Leute, die sich ihrer Möglichkeiten nicht bewusst sind und nichts tun, um etwas aus sich zu machen. Und dieser Mann war so einer. Vielleicht sogar der auffälligste von allen. Er war ein hochgewachsener, kräftiger junger Mann mit wohlgeformtem Gesicht, blitzenden Augen und kantigem Kinn, und obwohl er mit all diesen Gaben gesegnet war, schien Peachey seine Morgentoilette darauf zu verwenden, diese Vorzüge zum Verschwinden zu bringen, bis ihn nur noch ein unscheinbarer Mann mit schlechter Körperhaltung, verzagtem Blick, pomadisiertem Haar und riesiger Brille aus dem Spiegel anschaute. Er wirkte, als fehle ihm die Persönlichkeit, die ein solches Äußeres erforderte; diese Entschlossenheit, die sein gutes Aussehen zu einem Charakter gemacht hätte. Stattdessen war alles an ihm konturlos, fade, seiner Natur zuwiderlaufend. Er war mir gesellschaftlich zwar noch nicht vorgestellt worden, dennoch wusste ich, dass Peachey zum Direktorium von Barclay’s gehörte, der Bank, deren größter Aktionär Claires Vater war; und mir genügte ein Blick, um auch zu wissen, dass das opulente Büro in der Lombard Street, in dem Peachey residierte, bestimmt nicht Ausdruck seiner furchtlosen Kühnheit beim Abschluss ebenso waghalsiger wie erfolgreicher Transaktionen war. Nein, seine herausragende Stellung hatte ganz offensichtlich andere Ursachen.
    «Da wir nun miteinander bekannt sind, Mr. Peachey; dürfte ich wohl erfahren, was Sie mit Ihrer etwas vorlauten Bemerkung vorhin andeuten wollten?», fragte ich mit der schlüpfrigsten aller Liebenswürdigkeiten.
    «Dass die Zukunft sich erst noch zeigen muss, Mr. Winslow», antwortete er, ohne zu zögern. «Dass sie noch nicht existiert, also unantastbar ist. Annahmen auf etwas zu begründen, das noch nicht eingetreten ist, scheint mir …»
    «Ah, Sie scheinen sich mit der Zukunft auszukennen, Mr. Peachey», unterbrach ich ihn in diesem Ton weltläufiger Ironie, die nur einem Mann von vornehmer Abkunft zur Verfügung steht. «Haben Sie auch das Jahr 2000 besucht? Ich war da, wie gesagt; und ich kann Ihnen versichern, es fühlte sich ganz und gar echt an. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, Ihnen dort begegnet zu sein. Bei welcher Reise waren Sie dabei?»
    Peachey zögerte mit der Antwort, wahrscheinlich eingeschüchtert, weil er nicht wusste, wie er auf die geschliffene Doppelbödigkeit meiner Worte reagieren sollte.
    «Nein … Ich bin nie in die Zukunft gereist», gestand er schließlich, sich unbehaglich in den Schultern windend.
    «Nie …? Ei, das ist aber unangenehm, verehrter Mr. Peachey. Sicher stimmen Sie mit mir darin überein, dass, wer sich zu etwas äußert, das er nicht kennt, Gefahr läuft, sich zu irren und dann wie ein Narr dazustehen», sagte ich, leutselig lächelnd. «Bevor Sie also diesen Weg weiter beschreiten, lassen Sie mich Ihnen sagen – und Claire wird es gewiss bestätigen –, dass die Zukunft existiert. Ja, an irgendeinem Ort der Zeit findet die Zukunft genau in diesem Augenblick statt, und sie ist ebenso wirklich wie dieser Moment, in dem Sie und ich miteinander sprechen. Das kann ich Ihnen versichern, weil ich im Gegensatz zu Ihnen sehr wohl im Jahr 2000 war. Dem Jahr, in dem die menschliche Rasse am Rande der Ausrottung steht. Schuld daran sind die ruchlosen Maschinenmenschen, keine Invasoren vom Mars. Wir werden sie aber besiegen, und das haben wir einem Mann namens Derek Shackleton zu verdanken.»
    «Wenn dieser Shackleton bloß hier wäre», murmelte Harold hinter mir.
    «Ich glaube nicht, dass ein einzelner Mann etwas ausrichten kann», sagte Peachey achselzuckend.
    Diese Bemerkung des sogenannten Bankdirektors brachte mich

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