Die Lanze Gottes (German Edition)
gegenüber nie davon gesprochen. »Kanntet Ihr auch meine Mutter?«, fragte Janus.
»Ja, Gertrud, eine wunderschöne Frau. Eure Eltern waren manchmal in Gandersheim zu Gast. Ich erinnere mich noch gut. Man bereitete mich schon als kleines Mädchen auf meine Aufgaben im Klosterstift vor. Eure Mutter spielte mit mir im Klostergarten, während Euer Vater drinnen mit dem meinen sprach.« Die Äbtissin stand auf und trat zum Fenster. »Mein Freund, Hermann von Gleiberg, bittet mich, Euch zu helfen. Also sprecht, Graf von Esken, was kann ich tun?«
»Ehrwürdige Mutter, ich muss Euch einige Fragen stellen und ich bitte Euch, offen mit mir zu sprechen, denn Ihr seid meine einzige Hoffnung, eine der größten Lügen der Christenheit aufzudecken! Wenn Ihr meinen Vater kanntet, so wisst Ihr, wie wichtig ihm die Wahrheit war.«
Sie nickte nachdenklich. »Sprecht frei heraus.«
Janus dachte kurz nach. Wie weit konnte er gehen? Was konnte er sagen, ohne sie zu beleidigen oder in Verlegenheit zu bringen? Dann entschied er sich dafür, die Äbtissin gerade heraus zu fragen. »Stimmt es, was man sich in Sachsen erzählt? Hat man Euch Gewalt angetan?«
Die Direktheit schien der Äbtissin zu missfallen und im gleichen Augenblick, als Janus den Satz aussprach, schämte er sich dafür. Sie beäugte ihn misstrauisch. »Ihr kommt den weiten Weg von Gleiberg her, um mich das zu fragen? Ihr seid ein wahrhaft mutiger Mann! Ich bin in der Position, einen Mann für weitaus weniger bestrafen zu lassen. Vergesst nicht, ich bin die Schwester des Königs!«
Janus zögerte. War er zu weit gegangen? Aber er sah keinen anderen Weg, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Er hatte den ersten Schritt mit seiner Frage getan, nun musste er auch den zweiten gehen, unabhängig von den Folgen. »Verzeiht mir meine Forschheit, Äbtissin, aber es ist von großer Wichtigkeit, dass Ihr mir ehrlich antwortet!«
Die Äbtissin stand auf, legte das Pergament Hermanns auf den Tisch und drehte Janus den Rücken zu. »Was an Eurer ungehörigen Frage sollte für Euch oder mich von Wichtigkeit sein, Graf von Esken?«
Er zögerte einen kurzen Moment, dann sagte er: »Äbtissin, verzeiht mir, Ihr habt natürlich recht, es geht mich nichts an, aber Ihr wisst sicherlich, was man sich auf den Straßen Sachsens erzählt.«
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Die Menschen tratschen. Nicht alles davon ist wahr.«
Janus erhob sich und trat einen Schritt auf die Äbtissin zu. »Es geht um mehr, als um Euch und mich!«
Adelheid drehte sich zu ihm um. »Ihr seid ein Mann und als solcher wisst Ihr nicht viel über die Frauen. Ich hoffe sehr, Euer Weib macht Euch glücklich. Ein Glück, das jemand wie ich niemals erfahren wird, da mein Leben von Anfang an dazu bestimmt war, die Geschicke des Reiches zu lenken. Versteht mich nicht falsch, ich beklage mich nicht, ich tue es gerne, denn es ist meine von Gott bestimmte Aufgabe. Ihr fragt mich tatsächlich, ob man mir Gewalt angetan hat?« Sie lachte plötzlich laut auf. »Graf von Esken, mir ist in meinem Leben viel zu viel Gewalt angetan worden, als dass das, wonach Ihr mich fragtet, noch irgendeine Bedeutung für mich hätte. Aber da Ihr in Hermann einen guten Leumund habt und so hartnäckig seid, erzähle ich Euch die Wahrheit, obgleich ich nicht glaube, dass sie Euch bei Eurem Vorhaben von Nutzen sein wird. Ja es stimmt, was man sich erzählt. Auf dem Weg von Gandersheim nach Quedlinburg überfielen mich mehrere Männer. Sie ermordeten meine Dienerschaft. Ich habe sie nicht erkannt, sie hatten ihre Gesichter verhüllt. Ich erspare Euch die Einzelheiten. Man kann nichts ungeschehen machen. Ich nehme an, es handelte sich um Männer meines Bruders.«
Janus blickte sie stirnrunzelnd an. »Die Männer Eures Bruders? Verzeiht Äbtissin, aber warum sollte der König so etwas tun?«
Sie verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. »Versteht mich richtig, ich liebe meinen Bruder. Jedoch ist er nicht wie mein Vater. Er wurde von unserer Mutter immer bevorzugt. Es war ihm vorbestimmt, König zu werden. Mein Bruder hat viele gute Seiten, doch mit seiner Sachsenpolitik bin ich nicht einverstanden. Er weiß, dass mein Wort viel wiegt in Sachsen. Vielleicht hat er gedacht, er könne mich durch eine Demonstration männlicher Macht für seine Ziele gefügig machen. Er wollte mir wohl klarmachen, wer der Herrscher im Reich ist. Seine politischen Ziele hat er durch diese Tat erreicht. Ich habe mich zurückgezogen und ihm
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