Die Lanze Gottes (German Edition)
Gandersheim.«
Janus bedankte sich bei ihr und rollte das Pergament zusammen. Zurück bei Notgar, wiederholte er ihre Worte.
Notgar zuckte mit den Schultern. »Also auf nach Gandersheim!«
Sie bestiegen ihre Pferde und machten sich auf den Weg. Zum zweiten Mal hatte Janus erfolglos versucht, zu Adelheid vorzudringen. Sie war wie ein Geist. Schweigsam ritt er neben Notgar und dachte über die geheimnisvolle Schwester des Königs nach, die sich so meisterlich vor den Augen der Welt versteckte. Adelheid verfügte über sehr große Macht in Sachsen und zog die Fäden bei vielen politischen Entscheidungen im Lande.
Notgar unterbrach das Schweigen. »Warum suchen wir Adelheid überhaupt?«
Janus erzählte von Adams Brief und von der Rolle der Äbtissin. Der ehemalige Söldner schnalzte mit der Zunge und blickte nach oben. Wenig an seinem Verhalten ließ darauf schließen, was er über die ganze Sache dachte. Der Mann blieb für ihn ein Rätsel.
Janus dachte daran, was Hermann ihm über die Schwester des Königs berichtet hatte. Offensichtlich kannte er sie. Schon als Kind war sie ins Kloster gekommen, um ihrer Bestimmung gerecht zu werden, einst das Amt der Äbtissin von Quedlinburg auszuüben. Jedoch war das stille Klosterleben nicht vorrangiges Ziel ihres Vaters, sondern machtpolitisches Kalkül. Die wichtigsten Klosterstifte im Reich wurden mit Töchtern aus Königshäusern besetzt. Das sicherte diesen einen Teil der Macht.
An der Pforte von Gandersheim öffnete ihnen das Siegel Hermanns einige Tage später das Tor. Janus bat Notgar abermals, auf ihn zu warten, denn er wollte allein mit der Äbtissin sprechen. Er folgte einer betagten Stiftsdame durch die langen Klostergänge in ein kleines Gemach, wo er Platz nahm. Nach einer Weile öffnete sich die Tür und eine Frau mittleren Alters betrat die Kemenate. Sie besaß feine Gesichtszüge, die durch warme, graublaue Augen betont wurden. »Ich bin Äbtissin Adelheid von Quedlinburg
und Gandersheim. Man sagte mir, Ihr wollt mich dringend sprechen?«
Janus ging vor ihr auf ein Knie und küsste ihre Hand.
»Erhebt Euch und sagt mir Euren Namen!«
»Mein Name ist Janus von Esken. Ich bringe Kunde vom Grafen von Gleiberg.«
Er glaubte ein Leuchten im Blick der Äbtissin zu sehen, das jedoch sofort wieder erlosch, und reichte ihr das Pergament Hermanns. Sie zerbrach das Siegel und begann zu lesen. Janus sah, dass ihre Hände zitterten. Nach einer Weile ließ sie das Pergament sinken und blickte ihn mit ihren großen Augen traurig an. Er verstand nicht recht, was das zu bedeuten hatte. Was stand in Hermanns Schreiben?
»Wer seid Ihr, Janus von Esken?«
Die Frage überraschte ihn. Janus überlegte, worauf sie hinauswollte. Er war der Schwiegersohn des Grafen von Gleiberg. Wer war er noch? Janus von Esken, der Sohn des Siegmar von Esken, einem Häretiker? Ein Spielmann, ein Reisender, ein Forscher gar? Verwalter der Burg Gleiberg? Doch wer war er wirklich? Die Frage erschien ihm zu schwierig, daher schwieg er.
Die Äbtissin lächelte ihn sanft an. »Kennt Ihr den Inhalt der Botschaft?«
Janus verneinte.
»Nun, er schreibt, Ihr seid sein Schwiegersohn. Ihr habt seine Tochter Adela geehelicht und sie hat Euch bereits zwei Kinder geschenkt. Er schreibt ebenso, Ihr seid der Sohn des Siegmar von Esken.«
»Das ist alles richtig, Äbtissin.«
»Wer seid Ihr noch? Wo kommt Ihr her und warum seid Ihr nicht tot? Seid Ihr gar von den Toten auferstanden?«, fragte sie zweifelnd.
Janus wurde nervös. Von der Äbtissin ging eine unheimliche Kraft aus. Sie schien ihn mit ihren eindringlichen Blicken zu durchleuchten, als könne sie bis tief in seine Seele sehen.
»Ich sehe, dass meine Fragen Euch überraschen, Graf von Esken, doch ich kannte Euren Vater.«
»Ihr kanntet ihn?«
»Ja, ich erinnere mich gut an Siegmar von Esken, den treuesten Vasallen meines Vaters, Kaiser Heinrich. Als ich ein kleines Mädchen war, hielt er sich oft bei Hofe auf. Ich habe ihn sehr gemocht. Er strahlte immer so eine Wärme und Ruhe aus.«
»Ihr wisst, was ihm widerfahren ist?«
»Ja, ich habe seinerzeit davon gehört. Jedoch gibt es wohl keinen Mann auf Gottes weiter Welt, dem ich weniger zutraute, ein Häretiker zu sein. Ich habe ihn geschätzt. Sein Schicksal hat mich tief getroffen. Ich fragte mich immer, was wohl aus seinen Kindern wurde. Nun weiß ich es.«
Die Äbtissin erschien Janus warmherzig und klug. Es erstaunte ihn, dass sie seinen Vater so gut gekannt hatte. Hermann hatte ihm
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