Die Lanze Gottes (German Edition)
gewusst. Uhlmann hatte immer eine Lösung parat gehabt, doch alle waren fort, sein Vater, seine Mutter, Ulrich, Uhlmann, Adela, all die Menschen, die er geliebt hatte. Ein Gefühl tiefer Einsamkeit legte sich wie Blei auf seine Seele.
Nach einigen Tagen erreichte er die Wälder rund um die Eskeburg. Irgendwann gelangte er zu der Hütte von Asbirg, die verfallen im Waldgebiet Chlusingen stand. Er stieg ab, versorgte sein Pferd und zündete ein Feuer an. Dann legte er sich nieder und beschloss, eine Zeit lang hier zu lagern.
So vergingen zunächst Tage, dann Wochen. Seine Gedanken drehten sich fortwährend im Kreis und alles schien an Bedeutung zu verlieren. Manchmal hörte er die Stimme seines Vaters: Jeder Mensch spürt, wenn er Recht tut, und ebenso wenn er Unrecht tut. Die wahre Stärke liegt in dem, der Unrecht erkennt und es ändert! Dann wieder dachte er an Asbirg. Hüte dich vor einer schönen Frau! , hatte ihm die alte Hagazussa geweissagt. Hatte sie wirklich über magische Kräfte verfügt? Wieso konnte sie die Dinge voraussehen? Waren hier teuflische oder göttliche Mächte im Spiel?
Irgendwann saß er des Nachts am Feuer und briet einen Hasen, den er am Tage gefangen hatte. Da hörte er Schritte hinter sich. Sofort griff Janus an sein Messer. Er spürte Furcht in sich aufsteigen und war fast glücklich darüber, zeigte es doch, dass er überhaupt noch etwas fühlen konnte. Janus tat, als würde er nichts bemerken. Sein ungebetener Besucher trat von hinten an ihn heran. Janus´ Hand umklammerte das Messer, entschlossen sich in einer Bewegung umzudrehen und es dem möglichen Angreifer in den Bauch zu rammen.
»Von mir drohte dir keine Gefahr, mein Bruder!« Aus der Dunkelheit trat eine Gestalt und kam langsam näher.
»Konstanze!«, rief Janus überrascht. Sie erschien ihm in diesem Augenblick wie ein Engel.
»Bei den Göttern, wie siehst du aus?«
Janus sprang auf und umarmte sie. »Wie kommst du hierher?«
»Ich bat Johannes darum, mich bis an die Grenzen der Ländereien von Arnesberge zu bringen.« Sie trug einen Beutel bei sich und holte einen Schlauch Wein und etwas Brot heraus, dann setzten sie sich gemeinsam zurück ans Feuer und aßen. »Ich wusste, dass ich dich hier finde«, sagte sie und Janus fragte sich, ob sie wie Asbirg die Gabe besaß, Dinge vorauszusehen.
»Woher?«
»Du bist mein Bruder, wir sind vom selben Blut. Ich nahm an, du hättest das getan, was ich an deiner Stelle auch getan hätte. Es war Zufall. Nichts weiter. Keine Magie.«
»Du hast den weiten Weg von Gleiberg bis nach Arnesberge auf dich genommen, um mich zu finden?«
Konstanze nickte und schaute ihn forschend an. »Was machst du hier? Warum bist du nicht zu Hause bei deiner Gemahlin und deinen Kindern?«
Janus senkte den Blick.
»Sieh mich an Janus!«
Er wollte ihr nicht in die Augen sehen und hielt den Blick weiter nach unten gerichtet.
»Sie wird krank vor Gram«, sagte Konstanze. »Sie vermisst dich. Doch du hast ihr sehr weh getan.«
»Ich weiß«, flüsterte er.
»Nein, ich glaube das weißt du nicht!«
Janus blickte hoch. Konstanze wirkte plötzlich so erwachsen, gar nicht mehr wie das junge Mädchen, das er vor Jahren an diesem Platz neu kennengelernt hatte. Seine Schwester war eine hübsche Frau geworden und erschien ihm ähnlich geheimnisvoll wie Asbirg.
Sie strich mit einer Hand über seine Wange. »In einer Welt voller Hass, Neid und Missgunst ist Vertrauen das wichtigste zwischen Menschen. Das hat mich Asbirg immer gelehrt.«
Janus fühlte sich Konstanze plötzlich so nah wie nie zuvor. Sie trug das Erbe Asbirgs weiter und ähnlich wie die alte Hagazussa, strahlte sie Weitsicht und Weisheit, aber auch die gleiche Strenge und Härte aus. Janus musste an den Abend denken, als er aus Asbirgs Hütte weggelaufen war und sie ihn alleine im Wald fand. Alles schien ihm wie damals, nur war er ein Mann, kein Knabe mehr. Würde er denn niemals hinzulernen?
Konstanze sprach mit ruhiger Stimme. »Die meisten Männer nehmen sich, was sie wollen. Für Vertrauen ist in dieser Welt kein Platz. Das ist der Grund, warum ich Asbirgs Weg eingeschlagen habe. Sie lebte immer unabhängig und frei, auch wenn sie dem Hohn und Spott der Dorfbewohner ausgesetzt war. Sie war die stärkste Frau, die ich jemals kennengelernt habe.«
Janus kämpfte mit den Tränen.
»Es ist nicht der Ehebruch, weshalb deine Gemahlin sich grämt, Janus.«
»Ich dachte mir, dass Adela dir davon erzählen würde.«
Sie lächelte. »Wenn du
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