Die Lanze Gottes (German Edition)
und liebenswürdigsten Menschen, die er bisher kennengelernt hatte, und Janus lernte gerne von ihm. Vor allem das Schreiben im Skriptorium bereitete ihm Freude. Einzig Basilius, Novizenmeister und das genaue Gegenteil von Ulrich, war Janus ein Dorn im Auge. Basilius konnte ihn nicht ausstehen.
An einem Morgen schließlich geschah es, dass Janus die gesamten Laudengebete verschlief und unsanft vom Novizenmeister geweckt wurde.
»Ich werde dich Gehorsam lehren! Bruder Ulrich ist viel zu nachsichtig mit dir.«
Janus sprang hastig auf, griff nach seinem Habit und hielt sich schützend einen Arm vor die Augen, weil er mit einem Schlag rechnete.
Der große, hagere Basilius verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte überlegen.
Janus sah die Rute, die er unter seinem Arm trug und Angst packte ihn.
»Knie dich hin und zieh dein Gewand hoch!«
Janus wusste, es gab kein Entrinnen, sonst würde sich der Novizenmeister an den Abt wenden und seine Bestrafung könnte noch schlimmer ausgehen. Außerdem würde Ulrich in die
Angelegenheit hineingezogen werden und das wollte Janus auf keinen Fall.
Basilius schlug hart zu und Janus spürte jeden Schlag als brennenden Schmerz. Er biss seine Zähne fest aufeinander, denn er wollte sich keine Blöße geben, indem er schrie. Doch schlimmer als die Prügel empfand er die Demütigung.
Als Basilius sein Werk vollendet hatte, knurrte er: »Zieh dich an und bitte Gott um Verzeihung für deine Sünden! Und verschlafe nie wieder die Laudes!« Dabei lächelte er böse.
Janus wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen, doch in diesem Moment hätte er den Novizenmeister am liebsten umgebracht.
Er traute sich nicht, Ulrich von den Geschehnissen zu berichten, konnte im Skriptorium jedoch seine Schmerzen nicht verbergen. Immer wieder trat er von einem Bein auf das andere und zappelte hin und her.
Ulrich musterte ihn. »Was ist los mit dir, Janus? Warum bist du so unruhig? Wir sind hier, um uns zu konzentrieren und unsere Arbeit zu verrichten.«
Janus blickte verschämt nach unten. Ulrich ließ von seinen Studien ab und befahl ihm, mit in seine Kammer zu kommen. Dort angekommen, sagte er mit einem Ton in der Stimme, den Janus kannte und der keinen Widerspruch zuließ: »Zeige es mir!«
Janus schüttelte heftig den Kopf und fühlte sich ertappt.
Ulrich sah ihn mit einem forschenden Blick an. »Warum ist dein Habit blutig?«
Janus wurde klar, dass er das Geschehene erzählen musste, denn schlimmer als Ulrich von der Demütigung zu berichten, war, seinen Lehrmeister anzulügen. Doch er brachte kein Wort heraus, senkte den Kopf und Tränen schossen ihm in die Augen.
Ulrich nickte und verließ die Kammer. Er kam nach einiger Zeit mit einer Salbe zurück. »Benutze sie, bevor du dich abends auf dein Nachtlager begibst.«
Ulrich verstand ihn auch ohne Worte und Janus war ihm in zweierlei Hinsicht dankbar, für die Salbe, aber auch dafür, dass er nicht weiter nachfragte.
In den nächsten Tagen machte Basilius einen großen Bogen um ihn und gab Janus damit ein Rätsel auf. Normalerweise verging kein Tag, ohne dass der Novizenmeister ihn zurechtwies. Es gab nur eine Erklärung: Ulrich hatte mit ihm gesprochen. Janus wusste, dass der Mönch großen Einfluss auf Abt Gero besaß. Basilius jedenfalls behelligte ihn nicht mehr und das war alles, was für Janus zählte.
Weil ich die Wahrheit erkenne und sage, mein Sohn!, hörte Janus seinen Vater in vielen einsamen Nächten sagen. Er vermisste seine Eltern und er vermisste seine Heimat. Trotzdem ließ Janus die Trauer nicht die Oberhand gewinnen und war entschlossen, irgendwann die Wahrheit herauszufinden. Oft dachte er daran, wie es wäre, dem Kaiser seine Dienste anzubieten, genauso, wie sein Vater es seinerzeit getan hatte, doch er war mit seinen neun Jahren noch viel zu jung. Manchmal überlegte er, sich nach Gleiberg durchzuschlagen, um Hermann zu finden. Janus verwarf den Gedanken jedoch wieder, wenn Ulrich ihn mit seinen sanften Augen ansah und leidenschaftlich vom Dienste für die heilige Kirche redete. Aber weniger die Begeisterung für die Kirche, als vielmehr die Achtung und die Liebe zu seinem Mentor Ulrich hielten Janus im Kloster.
An einem Herbsttag des Jahres 1053 kehrte Janus mit einigen anderen Novizen im Klostergarten Laub. Ulrich betrat den Garten und rief ihn zu sich. Er wirkte schon seit einiger Zeit verändert auf Janus. Etwas schien ihn zu beschäftigen, doch Janus hatte sich nicht getraut, ihn danach zu fragen. Er lief
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