Die Lanze Gottes (German Edition)
sehr hübsch«, bemerkte Wilfried.
Rheinfelden lachte. »Wollt Ihr sie heute Nacht haben? Ich nehme mir einfach eine andere. Mittlerweile habe ich schon das halbe
Fricktal mit meinen Bastarden bevölkert.«
»Mal sehen«, murmelte Wilfried, doch die Vorstellung reizte ihn durchaus. Im Augenblick gab es jedoch wichtigere Dinge.
Rudolf stand auf und ging einen Schritt auf ihn zu. Er stemmte seine Arme in die Hüften und sah ihn erwartungsvoll an. »Nun zu Euch. Was bringt Ihr für Nachrichten aus Sachsen?«
»Graf Siegmar von Esken ist tot«, erwiderte Wilfried mit einem Lächeln und es blieb ihm nicht verborgen, dass Rheinfelden bleich wurde.
Langsam durchwanderte er die Halle, den Blick seltsam nach innen gerichtet und murmelte: »Von Esken … tot?«
Wilfried schien es, als sei Rudolf plötzlich wieder völlig klar im Kopf, seine Trunkenheit wie weggeblasen. Er setzte sich zurück an den Tisch und seine Augen schauten ausdruckslos ins Leere. »Fast könnte man meinen, sein Tod berührt Euch«, sagte Wilfried.
»Das tut er auch«, antwortete Rheinfelden.
»Ihr gabt mir den Befehl. Das verstehe ich nicht.«
»Von Breyde, mein Freund, Ihr versteht vieles nicht. Ich werde Euch jetzt ein wenig über Siegmar von Esken erzählen. Als junge Männer waren wir eng befreundet. Auch wenn von Eskens Familie nicht annähernd so viel besaß, wie die meine, verband uns eine tiefe Freundschaft. Wir haben zusammen mit Heinrich gegen die Böhmen gekämpft. Siegmar rettete mir einst das Leben. Wir verloren die Schlacht gegen Herzog Bretislav und unser Heer musste sich schwer angeschlagen nach Bayern zurückziehen. Heinrich trug, genau wie seine Vorgänger, die Heilige Lanze in der Schlacht. Nachdem der Kampf jedoch mit so hohen Verlusten verloren ging, kamen Gerüchte unter den Männern auf.«
»Gerüchte welcher Art?«, fragte Wilfried.
»Einige behaupteten, Gott hätte uns im Kampf nicht beigestanden. Damals erfuhr ich zum ersten Mal davon, dass die Heilige Lanze eine Fälschung sei. Mein Vater Kuno brachte mich mit der Mauritiusbruderschaft in Kontakt, alles mächtige Männer am Hofe. Hier erfuhr ich die Wahrheit, so wie auch Ihr sie erfahren habt. Das einzig Echte an der Heiligen Lanze ist der Nagel des Kreuzes unseres Herrn. Der Rest ist eine Fälschung, gefertigt zum Wohle der Krone und zum Schutz des Reiches. Und genauso wie Ihr, musste ich bei meinem Leben schwören, das Geheimnis zu schützen und für immer zu schweigen. Es ist schon fast zum Lachen, dass der Kaiser denkt, es sei genau andersherum, die Lanze sei echt und der Nagel eine Fälschung.«
Wilfried erstaunte die Offenheit seines Gegenübers. »Warum wurde die Mitgliedschaft in der Bruderschaft nicht auch Siegmar von Esken angeboten?«
»Die Mauritiusbruderschaft ist ein Zusammenschluss der mächtigsten Männer des Reiches. Siegmar war zwar mein Freund, aber auch nur ein kleiner Adliger, er kam dafür nicht infrage. Genauso wenig wie Ihr, Wilfried, und ich hoffe Ihr werdet nie vergessen, wem Ihr Euren Aufstieg verdankt!«
Wilfried senkte den Blick, wie könnte er das je vergessen. Er trat als Knappe in Rheinfeldens Dienst. In den vergangenen Jahren hatte er jeden Befehl seines Herrn bedingungslos ausgeführt. Rudolf entlohnte ihn dafür, zunächst mit Geld, dann, nachdem er den Ritterschlag empfangen hatte, mit Ausrüstung und Schlachtross. »Ich stehe tief in Eurer Schuld, Euer Gnaden. Seid Euch
meiner Dankbarkeit und Treue gewiss und gestattet mir noch eine Frage.«
Rudolf nickte. »Nur zu, Wilfried! Sprecht frei heraus!«
»Warum hasstet Ihr Siegmar von Esken so sehr? Bisher dachte ich immer, er durchkreuze Eure Pläne bei Hofe.«
Abermals nahm Rheinfelden einen großen Schluck Wein. »Es gab ein junges Mädchen. Sie stammte aus Burgund und war die Tochter eines mächtigen Adelsgeschlechts. Mein Vater Kuno hatte sich mit ihrem Vater geeinigt, sie war mir versprochen. Der Rheinfeldener Einflussbereich hätte sich so weiter in Richtung Burgund ausdehnen können. Da es sich, abgesehen davon, auch noch um eine wahre Schönheit handelte, war ich der Verbindung nicht abgeneigt. Der Name des mir versprochenen Mädchens war Gertrud.«
»… von Esken.« Wilfried pfiff leise durch die Zähne. »Gertrud von Esken. Er hat Euch Euer zukünftiges Weib ausgespannt.«
Mit einem Satz sprang Rudolf auf, langte über den Tisch und griff Wilfried an die Kehle. Er schleuderte ihn auf die Tischplatte und die riesige Pranke umklammerte seinen Hals. Wilfried
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