Die Lanze Gottes (German Edition)
hatte ihm versichert, dass auf Asbirg ebenso Verlass sei, wie auf Ulrich.
Hermann dachte an seine eigenen Töchter, einen männlichen Erben hatte Gott ihm bisher versagt. Er und seine Gemahlin kamen langsam in ein Alter, wo die Aussicht auf weitere Nachkommen schwand. Hermann machte sich überdies Sorgen um seine Gemahlin. Die Geburt der jüngsten Tochter Adela war schwierig genug gewesen. Er hatte mit seiner Frau darüber gesprochen, die Kinder seines Freundes Siegmar als die Seinen anzunehmen. Am liebsten hätte er sie nach Gleiberg geholt, doch es war zu gefährlich. Jeder im Reich kannte ihn und seine Verwicklungen in die Mauritiusbruderschaft und sein Wissen um die Dinge standen dem im Weg. Er hätte die Kinder nur in Gefahr gebracht und mit ihnen seine eigene Familie. Nein, es war am besten so. Hermann hatte gehofft, dass Rheinfelden nach Siegmars Tod endlich Ruhe geben würde, doch es sah nicht danach aus. Nun schwebte Ulrich in Gefahr. Als Einziger wusste er, wo sich dieser Kodex befand, von dem ihm Siegmar immer erzählt hatte.
Hermann hatte Johannes Wohlfarth geschickt, um das Schriftstück in Sicherheit zu bringen. Der Mönch und die Hagazussa vertrauten dem ehemaligen Stallmeister der Eskeburg ebenso wie er. So wie die Dinge im Reich derzeit standen, gab es nur einen Mann, dem Hermann zutraute, das Richtige mit dem Kodex anzufangen, und der die dazugehörige Macht besaß: Bischof Adalbert von Bremen.
Der Gedanke an den mächtigen Bremer Erzbischof beruhigte ihn etwas. Das Reich war seit Jahren gespalten. Hinzu kam der schwelende Konflikt mit der Kirche. Die Reformer aus dem Kloster Cluny setzten immer mehr daran, die Kirche zu ihren Ursprüngen zurückzuführen. Viele waren gezwungen, sich zu entscheiden. Und manch einer spielte ein doppeltes Spiel. Auch Bischof Adalbert von Bremen gehörte zu denen, die das Spiel der Macht spielten. Er war ein Politiker durch und durch, dennoch genoss er das Vertrauen des Kaisers und auch das von Hermann. In diesen Zeiten war es wichtig, mächtige Verbündete zu haben, erst recht, wenn man mächtige Feinde besaß, wie solche vom Schlage eines Rudolf von
Rheinfelden.
Nachdem die Sitzung beendet war, trat Hermann ins Freie und sog die kühle Nachtluft ein. Der morgige Tag würde ein Schicksalstag des Reiches werden.
Als er am nächsten Tag als einer der Letzten die große, festlich geschmückte Halle in Tribur betrat, fiel sein Blick auf die Kaiserfamilie, die auf einem hölzernen Podest Platz nahm. In der Mitte stand der Thron Heinrichs III. Seine Frau Agnes setzte sich zu seiner Rechten. Sie wirkte stolz und anmutig. Eine Königin, wie gemalt, dachte Hermann. Unter einem edel verzierten Schleier blickten zwei blaue Augen sanft in die Reihen der anwesenden Fürsten. Die Kaiserin trug ein langes tiefblaues Gewand und kostbares Geschmeide. Sie liebte Schmuck, wie jedermann im Reich wusste. Ihr Gewand besaß die gleiche Farbe wie die Tunika ihres Gemahls.
Neben dem Kaiser, der die Runde mit strengem Blick musterte und sich dabei an seinem langen Bart kratzte, saß der kleine zukünftige König Heinrich, der auf Hermann sehr aufgeweckt wirkte. Ein dreijähriger Junge mit halblangen, schwarzen Haaren, der seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten schien.
Man hatte den ganzen Tag viel über die Zukunft des Reiches geredet und der Zeitpunkt kam, da der Kaiser das Wort ergriff. Er erhob sich langsam und wandte sich an die Fürsten, die ebenfalls aufstanden. »Meine Fürsten, ich bin alt und sorge mich um die Zukunft des Reiches. Vieles ist heute gesprochen worden und ich weiß, ein jeder von Euch sorgt sich ebenso wie ich. Daher ist es meine Pflicht, als Kaiser eine Entscheidung zu treffen!«
Hermann beobachtete, wie alle gebannt auf den Kaiser starrten, und er wusste, was nun kam. Kaiser Heinrich blickte nach links zu seinem kleinen Sohn, der still auf seinem Thron saß und den Sinn dieses Tages wahrscheinlich nicht verstand. Er gehorchte. Zum König geboren, dachte Hermann.
Der Kaiser hob seine rechte Hand und ballte sie zur Faust. »Schwört meinem Sohn die Treue!«
Es ertönte lautes Jubelgeschrei und nach und nach kamen die Fürsten nach vorne, knieten vor dem zukünftigen König, senkten ihr Haupt und taten den Schwur.
Schließlich kam die Reihe an Hermann. Er trat vor das Podest, kniete nieder, senkte sein Haupt und sprach: »Deine Feinde sind meine Feinde, deine Freunde sind meine Freunde. Ich will dir allzeit treu und gewärtig sein, wenn der Ruf mich
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