Die Lanze Gottes (German Edition)
riesige Hand auf die Schulter. »Wahrlich, du bist der Sohn des Siegmar von Esken!«
VI
Wilfried von Breyde zügelte sein Reitpferd vor dem mächtigen, burgähnlichen Palas am Ufer des Rheins und war in Gedanken ganz bei dem imposanten Bauwerk. Die Burg Stein, der Hof des Rudolf von Rheinfelden. Von hier aus beherrscht er das gesamte Fricktal, dachte Wilfried, und sein Blick fiel auf die Gebäude der Vorburg, deren Dächer rot in der untergehenden Sonne schimmerten.
Die Torwache hatte den Reiter längst erspäht. Das Tor der Vorburg wurde geöffnet und gab Wilfried den Weg ins Innere frei. Er saß von seinem Pferd ab und übergab der Wache die Zügel. Ein Diener führte ihn in die große Burghalle. Wilfried schaute sich um. Mehrere kostbare Teppiche hingen als Wandschmuck in der Halle. Ein langer Tisch, an dem sich ein Stuhl an den anderen reihte, stand in der Mitte. Die Möbel waren kunstvoll beschnitzt und mussten ein Vermögen gekostet haben. Sie verfehlten ihre Wirkung auf
Wilfried nicht. Die Fürsten von Rheinfelden waren reich und mächtig - und Rudolf ihr uneingeschränktes Oberhaupt. Er konnte ein Gefühl des Neides kaum unterdrücken. Wilfried musste an sein eigenes Zuhause denken, welches er nur in den ersten Lebensjahren kennengelernt hatte, eine winzige burgähnliche Behausung. Sein Vater war ein Ritter ohne Lehen am Hofe Kaiser Heinrichs gewesen, seine Mutter früh gestorben. Wilfried hatte sie kaum kennengelernt. Schon als Knabe holte ihn sein Vater an den königlichen Hof und versuchte, ihm mit allen Mitteln eine Zukunft zu ebnen.
Bei dem Gedanken an seinen Vater überkam Wilfried ein Gefühl des Ekels. Er wurde wegen Feigheit nach der Schlacht gegen die Ungarn hingerichtet. Wilfried war damals gerade vier Jahre alt. Wohl aus schlechtem Gewissen behielt Kaiser Heinrich den Knaben bei Hofe und er wurde zum Knappen ausgebildet.
Wilfrieds Blick verharrte auf den Wandteppichen. Welch eine Macht, welch ein Reichtum, dachte er. Der Makel, den sein eigener Name noch immer bei Hofe trug, verursachte bei ihm hingegen Hass und Abscheu. Die Grafen von Rheinfelden, sie besaßen alles, wovon er träumte. Und Rudolf war der Mächtigste von allen.
Seine Gedanken wurden unterbrochen von der schneidenden Stimme des eintretenden Rheinfeldeners. »Wilfried von Breyde, willkommen in meinem Haus!«
Wilfried wandte sich zu ihm um. »Euer Gnaden.« Er legte seine Hand auf die Brust und verbeugte sich vor Rudolf.
»Holt Essen und Wein für meinen Gast!«, wies Rheinfelden zwei Mägde an, die sofort eilig die Halle verließen. »Und Ihr setzt Euch und berichtet.«
Wilfried nahm an der großen Tafel Platz, die fast ein Drittel der Burghalle ausfüllte. Rudolf setzte sich ihm gegenüber. Die Mägde brachten Brot und Wein, und Rheinfelden goss sich einen großen Becher ein. Einen Zweiten reichte er Wilfried. Dann fiel sein Blick auf das Brot. »Was ist das, Bauerngesindel? Soll mein Gast etwa denken, ich könnte nicht einmal ein anständiges Mahl aufbieten?«
»Herr, das ist alles, was uns der Koch gegeben hat. Es ist spät, er schickte sich bereits an, schlafen zu gehen.«
Rudolfs Augen blitzten und er fegte den Teller Brot mit einem Handstreich vom Tisch.
Er hat wohl schon vor meiner Ankunft getrunken und der Wein hat Spuren hinterlassen, dachte Wilfried, lächelte und blickte zu der jüngeren Magd, einem auffallend hübschen, vielleicht vierzehn Jahre alten Mädchen. Der Ähnlichkeit nach handelte es sich um die Tochter der anderen.
Rudolf zog die Jüngere zu sich auf den Schoß. »Komm her, mein Täubchen!« Die Augen der Magd weiteten sich vor Angst. Wie ein scheues Reh blickte sie hin und her auf der Suche nach einem Ausweg. Die Furcht des Mädchens erregte Wilfried auf seltsame Weise.
»Herr, bitte!«, stammelte die Magd.
»Du wirst nachher in mein Gemach kommen und wir beide werden etwas Spaß haben«, flüsterte Rudolf ihr ins Ohr, dabei umfasste er eine ihrer Brüste und knetete sie grob. Das Mädchen wehrte sich nicht, Wilfried konnte jedoch sehen, wie sie sich bemühte, ihre Abscheu zu verbergen. Der Rheinfeldener schob sie fort und wandte sich an die Ältere. »Wecke diesen fetten nichtsnutzigen Koch und sag ihm, er soll ein anständiges Essen zubereiten, wenn ihm seine Haut lieb ist! Und nun hinaus!« Die Magd verbeugte sich tief vor Rudolf. »Ja, Herr.« Dann verließen die beiden Frauen die Halle.
Rudolf nahm einen großen Schluck Wein und schnaubte verächtlich. »Weiber!«
»Das Mädchen ist
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