Die Lanze Gottes (German Edition)
zu seinem Lehrmeister und musterte ihn. Irgendetwas stimmte nicht, das konnte er deutlich in Ulrichs Augen lesen, die nicht still standen.
»Janus, komm mit mir, wir haben etwas zu besprechen!«
Wortlos folgte Janus ihm. Ulrich ging mit ihm in die Kapelle, schloss die Tür und bekreuzigte sich. Immer noch huschten seine Augen nervös hin und her und er kaute auf einem seiner Fingernägel.
»Ich komme direkt von Abt Gero, mein Sohn. Wir machen eine Reise.«
»Eine Reise?«, fragte Janus erstaunt.
»Ja. Wir gehen nach Frankreich zum Kloster Cluny. Dort werden wir eine Weile bleiben.«
»Hat das Abt Gero befohlen?«
»Ja. Er meinte, das sei derzeit wohl das Beste.«
»Das Beste? Warum? Was meinst du damit?«
Ulrich setzte sich auf eine der Bänke, wich Janus´ Blick aus und fuhr sich rastlos durch die Haare. Janus hatte ihn noch nie so erlebt. Er schien sich zu fürchten. Aber wovor?
»Es gibt einige Männer, die Erkundigungen beim Abt über dich eingezogen haben. Es hat etwas mit deinem Vater zu tun. Abt Gero hat geleugnet, dass du dich im Kloster befindest. Er meint, dass es am besten ist, dich nach Cluny zu bringen. Dort wirst du später ein Diener des Herrn. Du kannst deinen Namen ändern und niemand wird hinter dem zukünftigen Mönch den Sohn des Siegmar von Esken vermuten.«
»Ich will aber kein Mönch werden!«, entgegnete Janus trotzig, denn die Aussicht, auf ewige Zeiten im Kloster zu bleiben, machte ihm mehr zu schaffen, als die Nachricht, irgendwer habe sich über ihn erkundigt. Für wen sollte er schon von Interesse sein?
»Ich weiß, dass du deine Bestimmung nicht im Kloster siehst, aber dir bleibt keine andere Wahl«, erklärte Ulrich.
Alles in Janus sträubte sich. Hatte die Sache mit dem Tod seines Vaters zu tun? Am liebsten hätte er gegen die ganze Welt und die, die seinen Vater auf dem Gewissen hatten, ein Schwert erhoben. Aber er wusste ja nicht einmal, um wen es sich handelte. Oft hatte er Ulrich in der Vergangenheit auf seinen Vater angesprochen, doch der war ihm immer ausgewichen. »Frag nicht weiter, Janus. Es ist besser, wenn du nicht alles weißt. Du bist noch viel zu jung, und ich habe deinem Vater mein Versprechen gegeben, auf dich aufzupassen«, hatte der Mönch geantwortet.
Auch diesmal wusste Janus keinen anderen Weg, als Ulrich zu vertrauen und ihm zu gehorchen, daher fragte er schließlich leise: »Wann reisen wir ab?«
»Übermorgen. Ich erwarte noch einen Boten, der etwas für mich erledigen soll. Du kennst ihn gut, es ist Johannes Wohlfarth.«
Janus fühlte, dass sein Herz vor Freude einen kleinen Sprung machte. War doch nicht alles besiegelt? Vielleicht konnte ihm der ehemalige Stallmeister helfen. »Johannes? Johannes kommt her? Wann?«
»Ich erwarte ihn jeden Tag.«
Am nächsten Tag stand tatsächlich ein Reiter vor der Klosterpforte in Werden: Johannes Wohlfarth.
Janus freute sich über alle Maßen, den Freund seines Vaters wiederzusehen, doch seine Begeisterung wurde sogleich getrübt. Johannes berichtete, dass es Janus´ Schwester und Asbirg gut ginge, und dass er ihm einen Gruß von Hermann von Gleiberg ausrichten solle. Er sei zusammen mit ihm am Hofe des Kaisers gewesen und geschickt worden, etwas aus dem Kloster abzuholen.
Janus flehte Johannes an: »Kannst du mich nicht mit nach Gleiberg nehmen, Johannes? Bitte! Hermann kann mich doch als Page in sein Haus aufnehmen, so wie es mein Vater wollte.« Er blickte zu Ulrich, der die Schultern hob und seufzte.
»Glaube mir, Janus, es ist das Beste, wenn du bei Ulrich bleibst. Sobald Hermann Zeit findet, wird er dich im Kloster Cluny besuchen.«
Janus musste einsehen, dass seine Hoffnungen, dem Klosterleben zu entkommen, mehr und mehr schwanden, denn der Gleiberger Graf hatte nie Zeit. Wahrscheinlich würde er erst auftauchen, wenn Janus seine erste Pilgerfahrt als Mönch nach Rom beendet hatte. Trotzdem war er fest entschlossen, sich zu weigern, das Gelübde abzulegen.
Janus wurde Zeuge, wie Ulrich Johannes mit einem verstohlenen Blick ein Schriftstück überreichte. Der steckte es ein und bestieg seinen Zelter. »Wir sehen uns wieder, Janus von Esken!« Dann gab er dem Pferd die Sporen und verschwand kurz danach hinter der Bergkuppe. Ulrich und Janus standen noch eine Weile schweigend vor den Klostermauern und sahen ins Tal, dann legte ihm Ulrich eine Hand auf die Schulter.
»Komm, es wird Zeit. Wir müssen einige Dinge erledigen. Bald reisen wir nach Frankreich.«
»Was hast du Johannes übergeben?«,
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