Die Lanze Gottes (German Edition)
Herrn dienen, kein Getreide ernten und es in die Speicherkammer der Adeligen tragen. Ich bin kein Bauer und habe kein Vieh, welches mich ohnehin nicht ernähren kann, da die Abgaben an die Lehnsherrn viel zu hoch sind. Ich bin ein freier Mann, kann hingehen, wo ich will. Und das Liebste auf der Welt ist mir diese Sackpfeife. Sie ernährt mich und schenkt mir die Freiheit, verstehst du das, kleiner Graf?«
Janus verstand es nicht, doch er nickte. Ein merkwürdiges Bild von Freiheit, dachte er. Es war doch alles geregelt in der Welt. Gott und die Kirche wachten darüber. Jeder hatte einen Herrn, dem er dienen musste. Die Bauern, die um die Eskeburg herum lebten, waren doch zufrieden gewesen, ebenso wie sein Vater, dachte Janus. Auch dieser hatte einen Herrn gehabt, den Kaiser, und der
wiederum war Gott verpflichtet. In Janus´ Welt schien das so in Ordnung zu sein.
Diese Vaganten besaßen eine seltsame Einstellung. Er beschloss jedoch, nichts weiter dazu zu sagen, denn ihre Musik faszinierte ihn.
»Uhlmann, meinst du ich könnte das auch lernen?«, fragte er.
Uhlmann klopfte ihm auf die Schulter. »Ja, kleiner Graf. Ich werde es dir beibringen. Und jetzt lass uns schlafen gehen, morgen beginnt der Markt.«
X
In der Abendsonne warf die Motte einen langen Schatten über den Hof der Burg Gleiberg. Die Aussicht, die sich von hier oben über Franken bot, beeindruckte Johannes Wohlfarth immer wieder. Wie lange hatte er hier nicht mehr gestanden und in die Ferne geblickt? Johannes dachte an die Zeit zurück, als er, ausgestattet mit seinem Anteil an der Gleiberger Pferdezucht, hoffnungsvoll nach Sachsen zur Eskeburg aufgebrochen war und dort zusammen mit Siegmar von Esken gut gewirtschaftet hatte. Doch nun war alles verloren.
Bei dem Gedanken daran loderte erneut der Zorn in ihm auf. Sein Geld und seine Pferdezucht befanden sich jetzt im Besitz dieses Werler Grafen. Andererseits war Johannes froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Gott sei Dank hatte ihn Hermann wieder aufgenommen. »Hermann«, sagte Johannes leise zu sich selbst und schmunzelte bei dem Gedanken an seinen Halbruder.
Johannes war ein Bastard, ein Fehltritt von Hermanns Vater mit einem Kräuterweib aus Sachsen, die auf der Burg Gleiberg geduldet wurde, weil sie einen Sohn des Grafen geboren hatte. Hermann und er wuchsen zusammen auf, kannten kaum Geheimnisse voreinander und Hermann hatte ihn die Tatsache, dass er nur ein Bastard war, nie spüren lassen. Nach dem Tod seiner Mutter hatte sich Johannes hochgearbeitet und brachte es schließlich bis zum Stallmeister der Burg Gleiberg. Er war seinem Vater immer treu ergeben und nach dessen Tod diente er Hermann ebenso.
Johannes dachte an seine Mutter. Sie war ohne zu murren in Gleiberg geblieben. Heute wusste er, sie tat es nur für ihn. An Franken lag ihr nichts. Oft hatte sie daran gedacht, mit Johannes fortzugehen, doch der alte Gleiberger Graf liebte die schöne Kräuterfrau aus Sachsen. Auch wenn er sie nicht ehelichen konnte, hatte er sie immer wieder überredet zu bleiben. Johannes schmunzelte verträumt. »Sachsen ist wie ein Bastard des Reiches und genauso behandelt der Kaiser unsere Heimat«, hatte seine Mutter immer gesagt. Ein Bastard, wie er selbst. Und die kaisertreuen Grafen waren alle gleich, schoss es Johannes durch den Kopf. Doch sofort schalt er sich für seine Gedanken, denn Siegmar von Esken hatte anders gedacht. Dem alten Heinrich zwar ergeben, jedoch im Herzen ein Sachse. Das konnte man von Hermann nicht gerade behaupten. Doch Johannes hielt ihm zugute, dass er ein gerechter Mann war. Hermanns einziger Fehler bestand in seiner Treue zu Kaiser Heinrich.
Sein Blick schweifte in die Ferne, während er weiter über seine Zukunft und den Gleiberger Besitz nachdachte. Die Ländereien erstreckten sich bis weit in den Norden. Die Burg war praktisch uneinnehmbar, da man jeden Angreifer schon von Weitem sehen konnte.
Hermann hatte die Burg von seinem Vater übernommen und viel erreicht, die Ländereien und Gleiberg zu Ansehen und Reichtum gebracht. Alles, was ihm zu seinem vollkommenen Glück noch fehlte, war ein Erbe, da seine Frau ihm bisher nur zwei Töchter geboren hatte. Die fünfzehnjährige Kunigunde stand kurz davor, vermählt zu werden. Adela war einige Jahre jünger. Zwei weitere Kinder waren als Säuglinge gestorben.
Eine Stimme riss den Stallmeister aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und erblickte seinen alten und neuen Dienstherren Hermann. Der hagere blonde Graf war
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