Die Lanze Gottes (German Edition)
unbemerkt hinter ihn getreten. »Es ist die Weite, in die man blickt, die Gleiberg zu dem macht, was es ist.«
Johannes nickte und schaute versonnen zum Horizont. Hermann trat an ihn heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Johannes, ich bin froh, dass du wieder zu Hause bist, auch wenn die Umstände mehr als unglücklich sind.«
Johannes sog die Abendluft tief ein und trat einen Schritt auf die Palisaden zu. Eine kurze Weile stand er da und schwieg, dann drehte er sich um und blickte Hermann traurig an. »Ich habe alles verloren, Hermann. Mein gesamtes Vermögen steckte in Siegmars Pferdezucht und es lief gut, weißt du.«
Hermann nickte. »Doch du wirst hier immer ein Zuhause haben, sei dir dessen gewiss. Du kannst neu anfangen und in wenigen Jahren wirst du dein Vermögen zurückerwirtschaftet haben. Ich weiß um deine Vorzüge und hätte es dir sicherlich nicht übel genommen, wenn du in die Dienste des Grafen Bernhard von Werl getreten wärst. Er hat dir doch ein verlockendes Angebot unterbreitet. Du hättest dein Vermögen nicht gänzlich verlieren müssen …«
»… und wäre in die Dienste eines Tyrannen getreten, der einen meiner besten Freunde ermordet hat«, vervollständigte Johannes den Satz.
»Ich weiß nicht, was ich an dir mehr schätze, mein Freund, deine gute Hand für den Pferdehandel oder dein Ehrgefühl. Ich nehme an, wohl beides.«
Johannes schwieg.
Hermann stellte sich neben ihn an die Palisade, dann sagte er: »Kaiser Heinrich ist gestorben.«
Die Nachricht überraschte Johannes nicht sonderlich, Kaiser Heinrich war schon des längeren krank. Abgesehen davon war es ihm gleichgültig, denn er hielt nicht besonders viel vom Kaiser. Mit müder Stimme fragte er Hermann: »Hat das Folgen für dich?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Jedenfalls ist sein Sohn nunmehr der neue Herrscher im Reich. Oder besser gesagt, seine Mutter Agnes, denn der Knabe ist ja noch viel zu jung. Doch Rudolf von Rheinfelden wird seine Möglichkeiten nutzen, um dem Thron näher zu kommen. Kaiserin Agnes wird ihm in die Falle gehen, ich kenne ihn.«
»Rheinfelden, diese Schlange!«, zischte Johannes verächtlich. Er schüttelte resignierend den Kopf.
»Er wird jede Gelegenheit nutzen, um sich der Krone zu bemächtigen. Er wird Kaiserin Agnes solange beschwatzen, bis sie nachgibt und seinen Einfluss vergrößert. Damit schaufelt sie ihrem eigenen Sohn das Grab.«
Johannes wandte sich Hermann zu. »Aber hast nicht du und mit dir alle anderen Fürsten dem Knäblein die Treue geschworen?«
Hermann zog missbilligend eine Augenbraue hoch und Johannes erkannte, dass er etwas zu weit gegangen war. Er wusste um die unerschütterliche Königstreue seines Halbruders, denn er wurde von Hermann immer schon in alles eingeweiht. Hermann vertraute ihm.
»Verzeih, ich wollte den jungen König nicht beleidigen.«
Hermann atmete tief durch. »Wie wir alle wissen, hat Rudolf zu seinem Schwur gegenüber dem König noch eine Kleinigkeit hinzugefügt. Wer weiß schon, ob der kleine König sich tatsächlich als ein gerechter Herrscher erweisen wird. Das Reich ist gespalten. Viele Fürsten und Adelige würden Rheinfelden lieber heute als morgen zum König krönen. Die Kaiserin unterschätzt das, sie täte besser daran, auf ihren Sohn aufzupassen.«
»Und was sagen die Kirchenfürsten zu den Vorgängen, die dir soviel Sorge bereiten?«
»Bischof Anno von Köln steht mit einigen Adeligen auf der Seite von Rheinfelden. Angeblich, weil er der Kaiserin nicht zutraut, aus ihrem Sprössling einen annehmbaren König zu machen. Vielleicht aber auch, weil er von großzügigen Ländereien in Burgund träumt, sollte Rheinfelden König werden. Ich kenne Anno. Die Gottesfürchtigkeit des jungen Königs liegt ihm von allem am wenigsten am Herzen. Der Einzige, der treu an der Seite des Jungen steht, ist Bischof Adalbert von Bremen. Die Kaiserin selbst ist viel zu gutgläubig. Ohne Adalbert wäre sie schon längst im Kloster und ihr Sohn hätte abgedankt. Doch Adalbert achtet auf den Jungen und fühlt sich dem Versprechen, das er dem alten Kaiser Heinrich gegeben hat, verpflichtet.«
Johannes lehnte sich mit den Armen auf die Palisaden und faltete die Hände, sein Blick suchte abermals die Ferne. »So wie unser Freund Siegmar von Esken seinerzeit«, sagte er leise.
»Ja, und was hat es ihm gebracht? Den Tod und den Verlust seiner Ländereien und seiner Kinder! Zum Teufel, ich hätte Wilfried von Breyde damals verfolgen sollen,
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