Die Lanze Gottes (German Edition)
nicht zurückhalten. Wieder einmal hatte er einen Menschen verloren, der ihm lieb und teuer war.
Uhlmann schwieg eine ganze Weile und gab Janus etwas Zeit. »Was ist dort geschehen? War der Mönch dein Begleiter? Der Waffenknecht hatte ein Messer im Rücken.«
Janus wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Der Waffenknecht hat uns überfallen. Ich war zusammen mit meinem Mentor, dem Mönch, unterwegs nach Cluny. Irgendwie muss es Ulrich geschafft haben, dem Mann ein Messer in den Rücken zu stoßen«, flüsterte Janus leise. Wie er das bewerkstelligt hatte, konnte sich Janus allerdings nicht erklären, da er wusste, wie schwer Ulrich verletzt gewesen war. Dennoch schien es so, als habe Ulrich ihn mit Gottes Hilfe und letzter Kraft gerettet.
Juliana kam auf Janus zu und reichte ihm einige Kleider. »Deine Novizentracht war zerrissen, aber wir haben bei eurem Gepäck etwas gefunden, was dir passen könnte. Hier zieh dich an, Mönch, es ist zwar nicht so, dass mir der Anblick nackter Männer fremd wäre, dennoch fühle ich mich wohler, wenn ich bestimme, wann sie sich ausziehen. Und tue mir den Gefallen und hör auf zu flennen, sonst muss ich mitmachen und dazu habe ich keine Lust.«
Irgendwie holten Julianas harte Worte Janus in die Wirklichkeit zurück. »Was meint sie?«, fragte er, wischte seine Tränen mit dem Arm weg und schaute Uhlmann an.
»Unwichtig. Erzähl uns lieber, was dir geschehen ist.«
Janus berichtete von der Eskeburg und vom Kloster Werden. Sein Blick fiel auf die Kleidung, die ihm Juliana gereicht hatte und die ihn an seinen Vater erinnerte. Ulrich trug sie wohl im Gepäck. Woher er sie hatte, wusste Janus nicht.
Er streifte Bruche, Beinlinge und Tunika über und fühlte sich gleich besser. Die Ordenstracht hatte er immer gehasst.
Uhlmann schaute an ihm herunter und dann blickte er zu Juliana. »Das sind die Kleider eines Adeligen.«
Juliana wandte sich ab und murmelte mürrisch: »Ja, besser ich hätte sie verkauft.«
Uhlmann schüttelte ungläubig den Kopf.
Janus rappelte sich auf und taumelte zum Zelteingang. »Wo willst du hin?«, fragte Uhlmann.
»Ich muss zurück und Ulrich beerdigen.«
»Heyho! Nicht so schnell, mein junger Freund! Du weißt doch gar nicht, wo du bist. Wir befinden uns mittlerweile in Bamberg, über drei Tagesreisen von der Stelle entfernt, wo wir dich gefunden haben. Davon abgesehen haben wir deinen Freund bereits beerdigt und diesen anderen Kerl auch. Wir mögen zwar Vaganten sein, aber wir sind keine Unmenschen. Wir glauben ebenso an unseren Herrn Jesus Christus wie jeder Adelige.«
»Amen!«, sagte Juliana, die sich mittlerweile in die Mitte des Zeltes gesetzt hatte. »Lass ihn doch ziehen, Uhlmann. Wir können ihn wirklich nicht gebrauchen.«
»Halt den Mund!«, entgegnete Uhlmann knapp und sprang auf. Er hielt Janus an der Schulter fest. »Sei vernünftig, mein junger Freund. Ich kann dich irgendwann zum Grab führen, früher oder später kommen wir dort noch einmal vorbei. Iss deine Grütze und erzähl uns deine ganze Geschichte. Die anderen müssen auch gleich kommen.«
»Welche anderen?«, fragte Janus und ließ sich wieder nieder, nahm den Brei und schaufelte ihn gierig mit den Händen in den Mund.
Nach einer Weile füllte sich das Zelt mit weiteren Menschen. Janus´ Blick fiel auf einen Zwerg mit kugelrunden, stechenden Augen und einer quäkenden Stimme. Hinter ihm betrat ein Hüne das Zelt. Er maß mindestens vier Ellen, hatte Schultern wie ein Bär und eine lange Narbe zierte sein Gesicht. Der Zwerg stellte sich
vor und machte eine Verbeugung. »Man nennt mich Gotwig, edler Herr.«
Dann trat der Hüne auf ihn zu und reichte ihm seine riesige Pranke. Janus glaubte, seine Hand würde zerquetscht. Der Mann lächelte ihn an und sagte mit ruhiger tiefer Stimme: »Sei gegrüßt Junge, ich bin Trommler.«
»Trommler?«, fragte Janus und schüttelte seine schmerzende Hand, als der Riese sie wieder losließ.
Uhlmann lachte. »Wir nennen ihn Trommler, weil er die Trume schlägt. Seinen richtigen Namen weiß er nicht, genauso wenig wie sein Alter.«
Als Nächstes betraten zwei Mädchen das Zelt, die wie Juliana Kopftücher trugen. Sie stellten sich als Sahra und Rachel vor. Janus schätzte, dass Sahra wohl etwa in seinem Alter sein musste. Rachel war einige Jahre älter und das hübscheste Wesen, das Janus bis dahin gesehen hatte. Ihre großen, braunen Augen musterten ihn von oben bis unten.
Juliana zerstörte die heitere Stimmung, die sich im Zelt
Weitere Kostenlose Bücher