Die Lanze Gottes (German Edition)
endete, stand er auf und schritt langsam durch die Bibliothek. Er kratzte sich an seinem Kinnbart und murmelte: »Mauritiusbruderschaft! Welch origineller Name für eine Versammlung von Rittern mit einem solchen Auftrag.«
»Was meint Ihr?«, fragte Janus.
Adam setzte sich ihm wieder gegenüber. »Nach einer alten Legende war Mauritius Kommandeur einer Legion der Römer, die in Ägypten vorwiegend aus christlichen Männern ausgehoben wurde und sich Thebäische Legion nannte. Das geschah zur Zeit der römischen Kaiser Diokletian und Maximian. Kaiser Maximian wollte die Legion gegen die Christen einsetzen. Es wird berichtet, der Kaiser sei sehr grausam gewesen. Bei der Überquerung der Alpen meuterten über sechstausend Mann der Thebäischen Legion, da sie nicht gegen ihresgleichen ziehen wollten. Maximian gab erzürnt den Befehl, die Legion zu dezimieren, jeder zehnte Mann wurde hingerichtet. Doch er blieb erfolglos. Selbst eine weitere Dezimierung brachte nichts, weshalb der Kaiser die völlige Vernichtung der Legion befahl. Ohne Gegenwehr haben sich die Männer für ihre Religion hinrichten lassen und wurden zu Märtyrern.«
»Das ist die Geschichte des berühmten heiligen Mauritius, der allerorts verehrt wird?«, fragte Janus erstaunt.
»Man sagt, Mauritius sei im Besitz der Heiligen Lanze gewesen.« Adam rieb sein Kinn. »Wie dem auch sei, ich erwarte den Bischof in zwei Tagen zurück. Es ist sehr spät, lasst uns schlafen gehen, junger Spielmann. Ich besorge Euch ein Lager in der Domschule.« Dann verließen sie die Bibliothek.
Die nächsten beiden Tage verbrachte Janus mit Adam. Dessen Klugheit und unbändiger Wissensdurst faszinierten ihn. Kaum ein Vorgang, den der Mönch nicht hinterfragte, analysierte und aus dem er seine Schlüsse zog. Janus erfuhr, dass sein neuer Freund der zweitgeborene Sohn einer kleinen Adelsfamilie aus Sachsen war. Schon früh ebneten seine Eltern ihm eine kirchliche Laufbahn, auch deshalb, weil sie in engem Kontakt zu Bischof Adalbert standen, der den jungen Adam schließlich in seine Dienste nahm. Schon als Knabe fiel seine überdurchschnittliche Begabung auf und der Bischof war einer seiner größten Förderer. Bedachte man sein junges Alter, hatte Adam es weit gebracht, bis zum engsten Vertrauten und Berater Adalberts.
Schließlich traf Bischof Adalbert ein und sie erhielten eine Audienz. Der Bischofspalast, ein großes Gebäude nahe der Domschule, besaß etwas Majestätisches. Vor dem Eingang standen zwei Wachen, die sie in die Privaträume Adalberts begleiteten. An einer großen Tür blieben sie stehen. Einer der Männer nickte Adam zu. »Seine Eminenz erwartet Euch, Adam.«
Adam flüsterte Janus zu: »Du redest nur dann, wenn du gefragt wirst!«
»Aber …«
»Kein Aber!«, schnitt Adam ihm das Wort ab. »Du kennst ihn nicht. Tue es einfach und überlasse das Reden mir. Leg deine Sackpfeife dorthin.« Adam deutete neben die große Tür.
Janus schaute Adam verwundert an. »Warum?«
Adam verdrehte die Augen. »Begnüge dich damit, dass nicht jeder Mann Gottes die weltliche Musik so liebt wie ich.«
Janus tat wie ihm geheißen und sie traten ein. Staunend blickte er sich in der großen Halle um. Sein Blick fiel auf einen Mann, der hinter einem großen Tisch stand und einen einfachen Habit trug. Doch an seinem Siegelring konnte Janus sehen, dass es sich um den Bischof handeln musste. Adalbert war von schlanker Gestalt und hatte grauschwarze Haare. Er lächelte Adam von Bremen freundlich zu. Dieser verbeugte sich, ging auf ein Knie und küsste den Ring des Bischofs. Janus tat es ihm gleich.
»Erhebt Euch, Adam, mein treuer Freund. Und Ihr ebenso, junger Mann, den ich noch nicht kenne, den mir Adam aber gewiss gleich vorstellen wird.«
Adam legte seine flache Hand auf die Brust und verbeugte sich mit geneigtem Kopf. »Eure Eminenz, ich freue mich, Euch wieder in Bremen zu wissen. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise. Sicher werdet Ihr mir viel zu berichten haben über das Treffen in Kaiserswerth.«
»Nun, Adam, oft ist es ja so, dass Ihr die Dinge schon vor mir wisst, was mich zuweilen etwas betrüblich stimmt. Außerdem gebietet es die Höflichkeit, dass Ihr mir zunächst Euren jungen Begleiter vorstellt. Bitte setzt Euch.« Adalbert wies mit seiner großen Hand auf eine Reihe von Stühlen, die um einen Tisch nahe des Fensters standen. Sie nahmen alle drei Platz.
Janus war nervös. Der Bischof strahlte Ruhe und Besonnenheit aus, gepaart mit dem unwiderstehlichen
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