Die Lanze Gottes (German Edition)
bedeuten könnte. Nun, mein junger Freund, Ihr fragt Euch sicher, warum ich Euch das einfach so erzähle.«
»In der Tat, das tue ich.«
»Sagen wir, ich vertraue darauf, dass Ihr ein gottesfürchtiger und guter Mensch seid, auch wenn Ihr zuweilen zotige Lieder spielt. Ich habe viele Freunde, gerade in Sachsen. Jedenfalls fand ich den Inhalt des Kodex so interessant, dass ich über seinen damaligen Beschützer und meinen Bruder im Glauben, Ulrich, einige Erkundigungen einzog. Dabei fiel auch ein anderer Name: Siegmar von Esken, ein Adliger, der durch ein Gottesurteil zu Tode gekommen ist. Etwas viele Zufälle. Ergo kombinierte ich eben, Siegmar von Esken könne Euer Vater sein, denn schließlich ist der Name von Esken nicht so verbreitet hierzulande. Der Überbringer des Kodex schickte mir wenig später Nachricht, dass Ulrich zu Tode gekommen sei und bat mich, das Schriftstück sicher zu verwahren. Ich wollte den Bischof nicht mit derlei Kleinigkeiten belasten, daher beließ ich alles, wie es war, studierte den Kodex aber ausführlich. Und heute, Jahre später, taucht in meiner Stammschenke ein junger Mann auf, der den gleichen Namen trägt, wie der Freund dieses Mönches Ulrich. Er trägt eine Sackpfeife unter dem Arm - es ist im Übrigen ein Jammer, dass dieses herrliche, aus Byzanz stammende Instrument von verschiedenen Klerikern als Teufelszeug verschrien wird, aber das nur am Rande. Jedenfalls nehme ich an, dass der junge Mann, der jetzt gerade vor mir sitzt, den Anschlag auf seinen damaligen Mentor, der wahrscheinlich seine Erziehung nach dem Tode des Vaters übernommen hat, aus mir noch unerfindlichen Gründen überlebt hat. Wahrscheinlich hat er sich in den letzten Jahren als Spielmann verdingt, denn sonst trüge er jetzt nicht dieses herrliche Instrument bei sich. Vielleicht hat auch der Graf von Gleiberg selbst etwas damit zu tun. Jedenfalls trägt er von eben diesem eine Nachricht bei sich, die für den Bischof bestimmt ist. Dieser ist, wie alle wissen, ein treuer Freund des kleinen Königs, welcher sich jetzt in der Obhut der Krake Anno von Köln befindet. Es könnte gut sein, dass man dem Grafen von Gleiberg nach dem Leben trachtet, da er genauso treu zum König steht wie Bischof Adalbert selbst. Nun, mein junger Freund, wie viel von dem eben Gesagten entspricht der Wahrheit?«
Erstaunt von der Scharfsinnigkeit, mit der dieser Mönch, der kaum ein paar Jahre älter war als er selbst, kombinierte, antwortete Janus: »Ihr habt die Wahrheit sehr oft getroffen!«
»Nun, mein junger Freund, dann gebt mir die Nachricht für den Bischof und gehabt Euch wohl!«
»Nicht so schnell, ehrwürdiger Adam. Ich würde sagen, Ihr
führt mich noch heute Nacht in Eure Dombibliothek und zeigt mir den Kodex. Die Botschaft des Grafen von Gleiberg geben wir dann Bischof Adalbert gemeinsam.«
Adam von Bremen lachte, verschränkte erneut seine Arme vor der Brust und lehnte sich wieder zurück. »Warum sollte ich das tun?«
Janus tat es ihm gleich. »Ihr werdet es deshalb tun, weil Ihr neben Eurer Klugheit ein überaus neugieriger Mensch seid. Ihr werdet es deshalb tun, weil der Kodex, welchen Ihr in Eurer Dombibliothek beherbergt, und dessen Inhalt nur Ihr kennt, Euch so fasziniert hat, dass Ihr alle fehlenden Lücken ausfüllen wollt. Ihr seid nicht nur ein Kleriker, Ihr seid ebenso ein Wissenschaftler. Und wenn Ihr Euch auch weigert, in der großen Politik des Reiches mitzuwirken, so seid Ihr doch überaus daran interessiert, wie die Dinge zusammenhängen. Abgesehen davon seid Ihr auch ein gottesfürchtiger Diener des Herrn. Und es interessiert Euch nichts brennender als herauszufinden, wo sich die echte Lanze befindet. Allerdings wird wohl in dem Kodex nicht stehen, wo sie zu finden ist, denn sonst hättet Ihr schon Versuche unternommen, sie zu finden. Ihr erhofft Euch von mir neue Erkenntnisse. Vielleicht weiß ich Dinge von meinem Vater oder von dem Mönch Ulrich, die Euch weiterbringen. Die Neugier und der Wissensdurst sind es, die Euch dazu bringen werden, mich nicht einfach fortzuschicken und mir die Botschaft für den Bischof abzunehmen. Ich könnte vielleicht der Schlüssel zur Heiligen Lanze sein!«
Adam von Bremen schaute Janus an und konnte sein Erstaunen nicht verbergen. »Respekt! Ihr scheint über eine erstaunliche Menschenkenntnis zu verfügen«, lachte er.
»Ja, sie hat mir in den letzten Jahren mehr als einmal mein Leben gerettet.«
Adam stand auf und legte ein paar Münzen auf den Tisch.
»Kommt,
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