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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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immer schon gemacht. Dann nickte er.
    »Fang mit dem Mord an«, sagte Harry. »Nimm dir die Zeit, die du brauchst.«
    Oleg schloss für ein paar Sekunden die Augen. Dann öffnete er sie wieder.
    »Ich war high, hatte mir gerade unten am Fluss direkt hinter unserer Wohnung in der Hausmanns gate eine Spritze Violin gesetzt. Das war sicherer so, es war schon mal vorgekommen, dass ich von anderen, die auf Turkey waren, in der Wohnung angegriffen worden war, wenn ich mir einen Schuss setzen wollte.«
    Harry nickte.
    »Als ich die Treppe hochkam, bemerkte ich, dass die Tür des Büros gegenüber aufgebrochen war. Schon wieder. Ich machte mir aber nicht groß Gedanken darüber, sondern ging in unsere Wohnung, und da war Gusto. Vor ihm stand ein Mann mit einer Strumpfmaske. Er zielte mit einer Waffe auf Gusto. Ich weiß nicht, ob es das Dope war oder sonst irgendetwas, das mich erkennen ließ, dass es sich nicht um einen Überfall handelte, sondern dass da wirklich jemand Gusto umbringen wollte. Auf jeden Fall reagierte ich instinktiv. Ich warf mich auf die Hand mit der Waffe. Aber ich kam zu spät, er schaffte es noch, abzudrücken. Ich fiel hin, und als ich wieder aufblickte, lag ich neben Gusto und hatte den Lauf der Pistole an der Stirn. Der Mann sagte kein Wort, aber ich war mir sicher, sterben zu müssen.« Oleg hielt inne und holte Luft. »Aber irgendwie schien er sich nicht entschließen zu können. Dann machte er mit seinen Händen so etwas wie einen schnatternden Schnabel, bevor er sich mit der flachen Hand über die Kehle fuhr.«
    Harry nickte. Maul halten oder sterben.
    »Er wiederholte die Bewegung, und ich nickte, ich hatte verstanden. Dann ging er. Gusto blutete wie ein Schwein, und mir war klar, dass er einen Arzt brauchte. Sofort. Ich wagte es aber nicht zu gehen, ich war mir irgendwie sicher, dass der Mann mit der Pistole draußen noch immer wartete, ich hatte nämlich keine Schritte auf der Treppe gehört. Ich dachte, dass er es sich bestimmt anders überlegte und mich doch noch abknallte, wenn er mich jetzt wiedersah.«
    Olegs Füße gingen auf und ab.
    »Ich versuchte, Gustos Puls zu ertasten, mit ihm zu reden und ihm zu sagen, dass ich gleich Hilfe holen würde. Aber er antwortete nicht. Und dann war sein Puls plötzlich weg. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin gegangen. Auf jeden Fall war ich irgendwann draußen.« Oleg richtete sich auf, als hätte er Rückenschmerzen, faltete die Hände und legte sie auf den Kopf. Als er weiterredete, klang seine Stimme belegt: »Ich war high, konnte nicht klar denken. Ich ging nach unten zum Fluss. Wollte schwimmen, vielleicht hatte ich ja Glück und ertrank. Dann hörte ich die Sirenen. Und dann waren sie da … Dabei dachte ich immer nur an den schnatternden Schnabel und die Hand an der Kehle. Ich musste den Mund halten. Schließlich kannte ich diese Leute, hatte sie reden gehört und wusste, wie sie es machten.«
    »Und wie machen sie es?«
    »Sie packen dich da, wo es am meisten weh tut. Erst hatte ich Angst um Mama.«
    »Aber stattdessen haben sie sich dann Irene vorgenommen«, sagte Harry. »Niemand würde sich darum kümmern, wenn so ein Straßenmädchen plötzlich für eine Weile verschwand.«
    Oleg sah zu Harry. Schluckte. »Dann glaubst du mir?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Ich bin verdammt leichtgläubig, was dich angeht, Oleg. Das ist wohl so, wenn man … wenn man … ach, du weißt schon.«
    Tränen standen in Olegs Augen. »Aber … das ist doch total unwahrscheinlich … ich meine, bei all den Beweisen …«
    »Irgendwie passt es aber auch wieder zusammen«, sagte Harry. »Die Schmauchspuren auf deinem Arm, als du dich nach vorne geworfen hast. Das Blut, als du seinen Puls gemessen hast. Und so sind dann auch deine Fingerabdrücke auf ihn gekommen. Und die Leute haben nur dich aus dem Haus kommen sehen, weil der Mörder ins Büro gegangen und von da über das Fenster und die Feuerleiter nach unten zum Fluss geklettert ist. Deshalb hast du auch keine Schritte auf der Treppe gehört.«
    Oleg starrte nachdenklich irgendwo auf Harrys Brust. »Aber warum ist Gusto ermordet worden? Und von wem?«
    »Das weiß ich nicht. Ich denke aber, dass er von jemandem ermordet wurde, den du kennst.«
    »Ich?«
    »Ja. Deshalb hat er dir Handsignale gegeben, statt mit dir zu reden. Du solltest seine Stimme nicht wiedererkennen. Und die Strumpfmaske deutet darauf hin, dass er auch Angst hatte, von anderen aus dem Milieu erkannt zu werden. Es kann

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