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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Platten. Ich erinnere mich nur noch daran, weil Gusto gemeint hat, das sei das unwirkliche Leben. Ich dachte, dass das bestimmt irgend so eine Assoziation war, die ihm bei der Textzeile gekommen war, die sie gerade gesungen hatten.«
    »Was für eine Textzeile?«
    »Irgendwas von einem Traum, ich erinnere mich nicht. Aber du hast dir die Platte mit diesem Song damals immer wieder angehört.«
    »Komm schon, Oleg, das ist wichtig.«
    Oleg sah Harry an. Seine Füße hörten zu trippeln auf. Er schloss die Augen und summte vorsichtig. »It’s just a dreamy Gonzales …« Als er die Augen wieder öffnete, war er rot geworden, »so in etwa.«
    Harry summte selbst etwas, aber Oleg schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid«, sagte Oleg. »Ich bin mir nicht sicher, und es waren ja auch nur ein paar Sekunden.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Harry und legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter. »Erzähl mir lieber, was in Alnabru geschehen ist.«
    Olegs Fuß begann wieder zu zucken. Er holte zweimal tief Luft, atmete in den Bauch, wie er es vor den Rennen immer gemacht hatte, bevor er die Startposition eingenommen hatte, und erzählte.
    Anschließend saß Harry lange da und rieb sich den Nacken. »Ihr habt also einen Mann zu Tode gebohrt?«
    »Nicht wir, das war der Bulle.«
    »Von dem du nicht weißt, wie er heißt oder wo er arbeitet.«
    »Nein, da haben Gusto und er ganz genau drauf geachtet. Gusto meinte, ich sollte das besser nicht wissen.«
    »Und ihr habt keine Ahnung, wo die Leiche abgeblieben ist?«
    »Nein. Wirst du mich jetzt anzeigen?«
    »Nein.« Harry holte das Zigarettenpäckchen hervor und schnippte eine Zigarette heraus.
    »Kriege ich eine?«, fragte Oleg.
    » Sorry , Junge, aber das ist nicht gut für deine Gesundheit.«
    »Aber …«
    »Unter einer Bedingung. Du lässt dich von Hans Christian verstecken, und du überlässt es mir, Irene zu finden.«
    Oleg starrte zu den Wohnblöcken hinüber, die auf dem Höhenzug hinter dem Stadion thronten. An den Balkonen hingen noch immer die Blumenkästen. Harry musterte sein Profil. Sah den Adamsapfel an dem schmalen Hals auf und ab hüpfen.
    »Deal« , sagte er.
    »Gut.« Harry reichte ihm eine Zigarette und gab ihm und sich Feuer.
    »Jetzt habe ich kapiert, warum du diesen Metallfinger hast«, sagte Oleg. »Der ist fürs Rauchen.«
    »Jau«, sagte Harry und hielt die Zigarette zwischen Titanprothese und Zeigefinger, während er Rakels Nummer wählte. Er brauchte nicht um die Nummer von Hans Christian zu bitten, denn der war bereits bei ihr. Der Anwalt sagte, er würde sofort kommen.
    Oleg krümmte sich zusammen, als wäre ihm plötzlich kalt. »Wo wird er mich verstecken?«
    »Das weiß ich nicht, und ich will es auch gar nicht wissen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe ziemlich empfindliche Eier und rede wie ein Wasserfall, wenn nur das Wort Autobatterie fällt.«
    Oleg lachte. Kurz, aber es war ein Lachen. »Das glaube ich nicht. Du würdest dich umbringen lassen, ohne auch nur ein Wort zu sagen.«
    Harry sah den Jungen an. Er hätte den Rest des Tages dummes Zeug erzählen können, nur um dieses Lachen einmal mehr kurz aufblitzen zu sehen.
    »Du hast mich immer gut eingeschätzt, Oleg. Zu gut. Und ich fand es immer klasse, wenn du mich für besser gehalten hast, als ich wirklich war.«
    Oleg sah auf seine Hände. »Haben nicht alle Jungs ihren Vater als Vorbild, als Helden?«
    »Vielleicht. Ich wollte nie, dass du mich als einen Verräter siehst, als jemanden, der abhaut. Aber es kam halt, wie es kam. Mir liegt daran, dass du eine Sache weißt. Auch wenn ich es nicht geschafft habe, immer für dich da zu sein, heißt das nicht, dass mir das nicht wichtig war. Wir schaffen es nur einfach manchmal nicht, die Leben zu leben, die wir gerne leben würden. Sind Gefangene von … Dingen. Davon, wer wir sind.«
    Oleg hob den Kopf. »Von Junk und Scheiße.«
    »Das auch.«
    Sie inhalierten synchron. Sahen dem Rauch nach, der in unvorhersehbaren Wirbeln in den weiten, blauen Himmel stieg. Harry wusste, dass das Nikotin die Sucht des Jungen nicht lindern konnte, aber es schenkte ihm wenigstens ein paar Minuten Ablenkung. Und alles, worauf es im Moment ankam, waren die nächsten Minuten.
    »Du?«
    »Ja?«
    »Warum bist du nicht zurückgekommen?«
    Harry nahm einen neuen Zug von der Zigarette, bevor er antwortete. »Weil deine Mutter meinte, ich sei nicht gut für euch. Und sie hatte recht.«
    Harry rauchte weiter und richtete den Blick nach vorn. Er wusste, dass Oleg nicht

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