Die Larve
stand.
Der Junge an der Rezeption sah Harry mitleidig an.
»Wollen Sie einen Regenschirm leihen?«
»Nur wenn Ihr Hotel undicht ist«, sagte Harry und fuhr sich mit der Hand über seine Haarstoppeln, so dass das Wasser in alle Richtungen spritzte. »Irgendwelche Nachrichten?«
Der Junge lachte, als hätte er einen Witz gemacht.
Harry ging die Treppe zum zweiten Stock hoch und glaubte unter sich Schritte zu hören. Er blieb stehen. Lauschte. Aber es war alles still. Entweder hatte er sich verhört, oder er war auf das Echo seiner eigenen Schritte hereingefallen. Wenn nicht auch der andere stehen geblieben war.
Harry ging langsam weiter. Im Flur beschleunigte er seine Schritte, steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete. Sah quer durch den dunklen Raum hinüber zu dem hell erleuchteten Zimmer der Frau. Es war niemand dort. Weder bei ihr noch bei ihm.
Er drehte am Lichtschalter.
Als die Lampe anging, sah er sein Spiegelbild im Fenster und eine Person hinter sich. Im selben Moment spürte er eine schwere Hand auf seiner Schulter.
Nur ein Geist kann so schnell und lautlos sein, dachte Harry, wirbelte herum, wusste aber bereits, dass es zu spät war.
Kapitel 27
I ch habe die gessehen, einmal. Die ssahen aus wie eine Beerdigungsgessellschaft.«
Catos schwere, dreckige Hand lag noch immer auf Harrys Schulter.
Harry hörte seinen eigenen, keuchenden Atem und spürte, wie sich seine Lungen gegen die Rippen pressten.
»Wen?«
»Ich habe mit einem geredet, der ihr Teufelszeug verkaufte. Ein Typ namens Bisken, der immer sso ein Lederhalsband trug. Er ist ssu mir gekommen, weil er Angst hatte. Die Polizei hatte ihn mit Heroin festgenommen, und er hatte dabei Sixpence verraten, wo Dubai wohnte. Sixpence hatte ihm im Gegenzug Ssutz und Straffreiheit in Aussicht gestellt, wenn er denn vor Gericht eine Aussage machte. Aber am Abend ssuvor war Sixpence an der Oper an Land getrieben, und niemand bei der Polizei wusste etwas von einem Deal. Noch während ich mit ihm redete, fuhr sso eine sswarze Limoussine vor. Sswarze Anzüge, sswarze Handssuhe. Er war alt. Mit einem breiten Gesicht. Ssah aus wie ein weißer Aborigine.«
»Wer?«
»Er war unssichtbar. Ich habe ihn gessehen, aber … er war irgendwie nicht da. Wie ein Gesspenst. Und als Bisken ihn ssah, ist er erstarrt. Er hat nicht mal versucht ssu fliehen und hat keinen Widerstand geleistet, als ssie ihn mitgenommen haben. Als ssie weg waren, hatte ich das Gefühl, das alles nur geträumt zu haben.«
»Warum hast du das nicht eher erzählt?«
»Weil ich feige bin. Hast du eine Ssiggi?«
Harry reichte ihm das Päckchen, und Cato ließ sich auf den Stuhl fallen. »Du jagst ein Phantom, eine Larve, und ich will da nicht hineingessogen werden.«
»Und jetzt hast du deine Meinung geändert?«
Cato zuckte mit den Schultern und streckte seine Hand aus. Harry gab ihm das Feuerzeug.
»Ich bin ein alter, ssterbender Mann, ich habe nicht mehr viel ssu verlieren.«
»Ein sterbender Mann?«
Cato zündete sich die Zigarette an. »Nichts Akutes, vielleicht, aber wir ssterben doch alle irgendwann, Harry. Ich wollte dir nur helfen.«
»Mit was?«
»Keine Ahnung, was hast du denn für Pläne?«
»Du meinst, dass ich dir vertrauen soll?«
»Nein, verdammt, vertrauen kannst du mir nicht. Aber ich bin ein Ssamane. Auch ich kann mich unssichtbar machen, kommen und gehen, ohne dass jemand das bemerkt.«
Harry rieb sich das Kinn. »Warum?«
»Das habe ich dir gessagt.«
»Ich habe es gehört, frage dich aber trotzdem noch einmal.«
Cato musterte Harry beleidigt. Als das nichts nützte, seufzte er tief und verärgert. »Vielleicht hatte ich ja selbst mal einen Ssohn. Einen, für den ich nicht getan habe, was ich hätte tun ssollen. Vielleicht ist das eine neue Chance. Glaubst du nicht an neue Chancen, Harry?«
Harry betrachtete den alten Mann. Die Falten in seinem Gesicht wirkten im Dunkeln noch tiefer, noch mehr wie schmale Schluchten, wie Kerben von Messern. Harry streckte die Hand aus, und Cato schob seine Finger widerwillig in seine Tasche und gab ihm das Zigarettenpäckchen zurück.
»Ich weiß das zu schätzen, Cato. Ich werde es dich wissen lassen, wenn ich Hilfe brauche. Aber jetzt muss ich erst einmal versuchen, Dubai mit dem Mord an Gusto in Verbindung zu bringen. Bin ich so weit, werden die Spuren direkt zu dem Brenner in der Polizei führen und zu dem Mord an dem verdeckten Ermittler, der zu Hause bei Dubai ersäuft worden ist.«
Cato schüttelte langsam den
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