Die Larve
stellten sich auf. »Ich schon«, sagte er.
Sie lachte. »Dann bist du der Einzige auf der ganzen Welt, Harry.«
Harry starrte auf den Ring. Sie hatte es gesagt. »Natürlich bin ich der Einzige auf der ganzen Welt …«, sagte er langsam. Seine Nackenhaare irrten sich nie.
»He, warte, ich bin noch nicht fertig.«
»Das ist gut so«, sagte Harry, der bereits aufgestanden war.
»Du solltest wenigstens noch ein paar saubere Sachen von uns anziehen. Deine Kleider stinken nach Müll, Schweiß und Blut.«
»Die Mongolen pflegten sich vor großen Schlachten mit den Exkrementen ihrer Tiere einzuschmieren«, sagte Harry und knöpfte sich das Hemd zu. »Wenn du mir etwas geben willst, das ich wirklich brauche, dann eine Tasse Kaffee …«
Sie sah ihn resigniert an. Und ging kopfschüttelnd durch die Tür und über die Treppe nach unten.
Harry fischte hastig das Handy aus seiner Tasche.
»Ja?« Klaus Torkildsen hörte sich an wie ein Zombie. Das Geschrei der Kinder im Hintergrund erklärte aber alles.
»Hier ist Harry Ho. Wenn Sie mir noch einen letzten Gefallen tun, werde ich Sie nie wieder quälen, Torkildsen. Sie müssen ein paar Basisstationen für mich überprüfen. Ich muss alle Orte wissen, an denen das Handy von Truls Berntsen, der wohnt irgendwo in Manglerud, sich am Abend des 12. Juli befunden hat.«
»Wir können das nicht auf den Quadratmeter genau bestimmen oder die Bewegungen …«
»… Schritt für Schritt nachvollziehen, ich weiß, ist doch klar. Tun Sie einfach, was möglich ist.«
Pause.
»War das alles?«
»Nein, noch ein Name.« Harry schloss die Augen und rief ihn sich in Erinnerung. Sah die Buchstaben am Türschild im Radiumhospital vor sich. Murmelte sie erst leise und sprach sie dann laut in den Hörer.
»Ist notiert. Und nie mehr heißt?«
»Nie mehr.«
»Na dann«, sagte Torkildsen. »Eine Sache noch.«
»Ja?«
»Die Polizei hat gestern nach Ihrer Nummer gefragt. Aber es ist keine Nummer auf Sie registriert.«
»Ich habe ein nicht registriertes, chinesisches Handy. Warum?«
»Es machte fast den Anschein, als wollten die Sie aufspüren. Was geht da eigentlich vor?«
»Sind Sie wirklich sicher, dass Sie das wissen wollen, Torkildsen?«
»Nein«, sagte Torkildsen nach einer Pause. »Ich rufe Sie zurück, wenn ich etwas habe.«
Harry unterbrach die Verbindung und dachte nach. Es wurde nach ihm gefahndet. Auch wenn die Polizei keinen Namen zu dieser Nummer finden würde, konnten sie eins und eins zusammenzählen, wenn sie Rakels Nummer überprüften und eine chinesische Nummer entdeckten. Das Telefon war ein Peilsender, den er loswerden musste.
Als Martine mit einer dampfend heißen Tasse Kaffee zurückkam, gönnte Harry sich zwei Schlucke und fragte sie dann freiheraus, ob sie ihm für ein paar Tage ihr Handy leihen könnte.
Sie sah ihn mit ihrem direkten, reinen Blick an, sagte ja und fragte ihn, ob er sich das alles auch gut überlegt habe.
Harry nickte, bekam ihr kleines, rotes Telefon, küsste sie auf die Wange und nahm die Tasse mit nach unten ins Café. Fünf Tische waren bereits besetzt, und andere Frühaufsteher kamen von draußen herein. Harry setzte sich an einen der noch freien Tische, übertrug die Nummern aus seiner chinesischen iPhone-Kopie und informierte die entsprechenden Leute darüber, dass er vorübergehend eine neue Nummer hatte.
Drogenabhängige sind ebenso undurchschaubar wie andere Menschen. Nur in einer Hinsicht sind sie ziemlich gut auszurechnen, so dass Harry keine Sekunde daran zweifelte, was geschehen würde, wenn er das chinesische Telefon auf einen der leeren Tische legte und aufs Klo ging. Als er wieder zurückkam, war das Telefon verschwunden. Es hatte sich auf eine Reise begeben, der die Polizei gerne über die Basisstationen durch die ganze Stadt folgen durfte.
Harry selbst ging nach draußen und über die Tøyengata in Richtung Grønland.
Ein Streifenwagen kam ihm langsam entgegen. Er senkte automatisch den Kopf, nahm Martines kleines, rotes Handy heraus und tat so, als telefonierte er, um sein Gesicht mit der Hand zu verdecken.
Das Auto fuhr vorbei. In den nächsten Stunden kam es darauf an, sich bedeckt zu halten.
Wichtiger aber war, dass er etwas wusste, dass er endlich einen Ansatzpunkt hatte.
Truls Berntsen lag unter zwei Schichten Fichtenzweigen und fror wie ein Schneider.
Die ganze Nacht über hatten sich vor seinen Augen dieselben Bilder abgespult. Das Vielfraßgesicht, das langsam und vorsichtig zurückwich und wieder und
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