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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Geräusche übertönte.
    Der Knall verschloss seine Ohren, und plötzlich zog ein Schneesturm durchs Zimmer.
    Die Silhouetten zweier Männer zeichneten sich in der Türöffnung ab. Der größere der beiden hatte eine Pistole gezogen. Sein Kopf reichte fast bis an den oberen Türrahmen, er musste an die zwei Meter groß sein. Truls drückte ab. Und drückte ab. Spürte den wohltuenden Rückstoß und die noch wohltuendere Gewissheit, dass es dieses Mal echt war, wirklich. Er dachte in diesem Moment nicht im Traum an die Zukunft, die war ihm egal. Der Große zuckte zusammen, machte eine Bewegung mit dem Kopf, als wollte er seinen Pony nach hinten werfen, wich zurück und verschwand. Truls bewegte die Pistole und sah zu dem anderen hinüber, der noch immer dastand, ohne sich zu rühren. Weiße Federn schwebten um ihn herum, Truls hatte ihn über dem Korn. Drückte aber nicht ab, da er ihn jetzt deutlicher sah und das Vielfraßgesicht erkannte. Ein Gesicht, das Truls immer mit Samen, Finnen und Russen in Verbindung gebracht hatte.
    Der Typ hob ruhig die Waffe und hielt sie vor sich, den Finger am Abzug.
    »Easy, Berntsen « , sagte er.
    Truls Berntsen brüllte, und dieses Brüllen wollte kein Ende nehmen.
    Harry fiel.
    Er hatte den Kopf eingezogen und war mit gekrümmtem Rücken in Richtung Fenster zurückgewichen, nachdem die erste Schrotladung über seinen Kopf hinweggeflogen war. Die Scheibe hatte erst Widerstand geleistet und sich gegen seinen Rücken gepresst, sich dann aber doch daran erinnert, dass sie aus Glas war, und langsam nachgegeben.
    Es folgte der freie Fall.
    Die Zeit war mit einem Mal stehengeblieben, als gleite er durch Wasser. Hände und Arme ruderten wie langsame Schaufeln und versuchten automatisch, die Drehung des Körpers zu verhindern, der zu einem Rückwärtssalto angesetzt hatte. Nur halb gedachte Gedanken schossen zwischen den Synapsen des Hirns hin und her. Dass er mit Kopf und Nacken zuerst aufschlagen würde.
    Dass es ein Glück war, dass er keine Gardine hatte.
    Vis-à-vis öffnete die nackte Frau das Fenster.
    Dann wurde er von all dem Weichen aufgefangen. Leere Pappkartons, alte Zeitungen, benutzte Windeln, Milchkartons, altes Brot und nasse Kaffeefilter aus der Hotelküche.
    Er lag auf dem Rücken in dem offenen Abfallcontainer, und Glassplitter prasselten auf ihn herab. Im Fenster über ihm flackerte Licht auf wie von Blitzlichtern. Mündungsfeuer. Aber es war seltsam still, als kämen die Schüsse aus einem Fernseher ohne Ton. Er spürte, dass das Klebeband an seinem Hals gerissen war und er wieder blutete. Einen verrückten Augenblick lang erwog er, einfach liegen zu bleiben. Die Augen zu schließen und sich treiben zu lassen. Schlafen. Es war so, als beobachtete er sich selbst, wie er aufstand, über den Rand kletterte und zum Tor am hinteren Ende des Innenhofs rannte. Als er die Tür öffnete, hörte er ein langgezogenes wütendes Brüllen aus dem Fenster. Dann war er auf der Straße. Rutschte auf einem Kanaldeckel aus, konnte sich aber auf den Beinen halten. Er sah, wie eine schwarze Frau in einer engen Jeans ihm professionell zulächelte und einen Kussmund machte, es sich dann aber doch anders überlegte und wegsah.
    Harry lief.
    Und beschloss, dieses Mal einfach nur zu laufen.
    Bis es nichts mehr zu laufen gab.
    Bis Schluss war, bis sie ihn hatten.
    Er hoffte, dass es nicht allzu lange dauern würde.
    In der Zwischenzeit wollte er tun, worauf Beutetiere programmiert sind: fliehen, den Versuch unternehmen, zu entkommen, noch ein paar Stunden zu überleben, ein paar Minuten, ein paar Sekunden.
    Sein Herz hämmerte den Protest förmlich heraus, und er musste lachen, als er die Straße unmittelbar vor dem Nachtbus überquerte, und hastete dann weiter in Richtung Bahnhof.
    Kapitel 34
    H arry war gefangen, daran bestand kein Zweifel. Über ihm an der Decke hing ein Bild von einem gehäuteten menschlichen Körper, daneben eine sorgsam geschnitzte Holzfigur, die einen gekreuzigten, verblutenden Mann darstellte, und daneben wiederum Apothekenschrank um Apothekenschrank.
    Er drehte sich auf der Bank und versuchte, an dem Punkt weiterzumachen, an dem er am Tag zuvor aufgehört hatte. Er musste das ganze Bild sehen, das große Ganze, auch wenn er die vielen Punkte noch nicht einmal ansatzweise miteinander verbinden konnte. Außerdem waren einige dieser Punkte reine Spekulation.
    Annahme eins: Truls Berntsen war der Brenner. Als Mitarbeiter von Orgkrim saß er am perfekten Ort, um Dubai zu

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