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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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beschaffen mussten. Als ich die Rechnung für das Zimmer zahlen sollte, in dem wir mehr als zwei Wochen gewohnt hatten, fehlten mir natürlich fünfzehntausend, das war ja klar.
    Also tat ich das einzig Vernünftige.
    Ich rannte.
    Stürmte durch die Lobby auf die Straße und von dort durch den Park in Richtung Fjord. Aber ich wurde gar nicht verfolgt.
    In Kvadraturen versuchte ich dann, Stoff zu kaufen. Aber es war kein Arsenal-Spieler zu sehen, nur ein paar verzweifelte Junkies, die mit leerem Blick auf der Suche nach einem Dealer waren. Ich redete mit einem, der mir Meth verkaufen wollte. Er sagte mir, dass schon seit Tagen kein Violin mehr aufzutreiben sei, da wäre irgendwie kein Nachschub mehr gekommen. Es kursierten aber Gerüchte, dass irgendwelche oberklugen Junkies ihre Restbestände auf der Plata verkauften, für fünftausend Kronen das Viertelgramm, um sich von dem Erlös eine Wochenration Horse zu beschaffen.
    Ich hatte keine Scheiß-Fünftausend und kapierte endlich, dass ich in Schwierigkeiten war und bloß drei Alternativen hatte. Etwas eintauschen, schnorren oder klauen.
    Zuerst eintauschen. Aber was hatte ich denn noch, ich, der ich schon meine Stiefschwester vertickt hatte? Dann fiel es mir ein. Die Odessa. Sie lag noch immer im Übungsraum und sollte doch etwas für die Pakis sein, die in Kvadraturen herumhingen. Bestimmt würden die mir fünftausend für eine Knarre zahlen, die ganze Salven schoss. Also joggte ich nach Norden, vorbei an der Oper und am Bahnhof. Aber irgendjemand musste bei uns eingestiegen sein, denn an der Tür hing ein neues Vorhängeschloss, und auch die Gitarrenverstärker waren weg. Nur noch das Schlagzeug war da. Ich suchte nach der Odessa, aber auch die war natürlich verschwunden. Verdammte Diebe.
    Dann schnorren. Ich nahm ein Taxi und dirigierte es nach Westen in Richtung Blindern. Der Fahrer nervte mich von Anfang an mit seinem Geld, vermutlich hatte er die Zeichen bereits erkannt. Ich bat ihn, dort zu halten, wo die Straße an den Schienen endete, sprang aus dem Auto und lief dem Fahrer über die Fußgängerbrücke davon. Danach rannte ich durch den Forskningsparken, obwohl niemand mich verfolgte. Ich rannte, weil ich es eilig hatte, ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein.
    Ich öffnete das Tor und lief über den Kies zur Garage. Blickte durch den Spalt zwischen den Gittern. Die Limousine war da. Dann klopfte ich an die Tür der Villa.
    Andrej öffnete und sagte, der Alte sei nicht zu Hause. Ich zeigte zum Nachbarhaus hinter dem Wasserturm und sagte, dass er dann wohl da drüben sein müsse, schließlich war das Auto ja da. Er wiederholte, ataman sei nicht zu Hause. Ich bat um Geld, doch er schickte mich weg und sagte, ich solle mich nicht mehr blicken lassen, nie wieder. Ich sagte, ich bräuchte Violin, nur dieses eine Mal. Er erklärte mir, es gäbe zurzeit kein Violin, Ibsen fehle irgendeine Zutat, ich müsse ein paar Wochen warten. Ich sagte, dass ich keine paar Wochen überleben würde, nicht ohne Geld und Violin.
    Andrej wollte mir die Tür vor der Nase zuknallen, doch ich kriegte den Fuß in den Türspalt und drohte damit, die Adresse zu verraten, wenn ich nichts bekäme.
    Andrej sah mich an.
    »Are you trying to get yourself killed?« , fragte er mit seinem Komikerakzent. » Remember Bisken?«
    Ich breitete die Arme aus. Sagte, die Bullen würden sicher gut dafür bezahlen, wenn man ihnen sagte, wo Dubai mit seinen Ratten steckte. Und für die Story über Bisken bestimmt noch was drauflegen. Die richtig dicken Scheine würden sie aber sicher hinblättern, wenn man ihnen von dem toten Drogenfahnder auf dem Kellerboden erzählte.
    Andrej schüttelte langsam den Kopf.
    Mir blieb nur, »passhol vchorte« zu sagen und zu gehen. Das sind, glaube ich, die russischen Worte für »Fahr zur Hölle!«.
    Auf dem ganzen Weg zum Tor spürte ich seinen Blick in meinem Rücken.
    Ich hatte keine Ahnung, warum der Alte es zugelassen hatte, dass ich mich mit Oleg und dem Dope einfach so abgesetzt hatte. Ganz sicher aber war ich, dass ich mit dieser Geschichte nicht durchkommen würde. Trotzdem war mir das alles scheißegal, ich war total von der Rolle, verzweifelt, und hörte nur noch eine Sache: die hungrigen Schreie meines Blutes.
    Ich ging nach oben zu dem Pfad hinter der Vestre Aker Kirke, stand eine ganze Weile da und sah eine Reihe alter Frauen kommen und gehen. Witwen auf dem Weg zu dem Grab, in dem ihr Mann lag, an dessen Seite sie sich bereits ihren Platz reserviert

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