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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Bettrahmen zwischen Harrys Beinen.
    Harry stand auf. Schob die Sicherung zur Seite und drückte auf den Auslöseknopf. Der Schaft zitterte leicht, als die Klinge heraussprang. Harry schwang die Klinge mit gestrecktem Arm tief an der Hüfte vorbei, und die lange, dünne Klinge drang zwischen den Mantelschößen hindurch von unten in das Pastorenhemd. Er spürte den federnden Widerstand des Stoffes und der Haut, doch dann glitt das Messer beinahe ohne Gegenwehr bis zum Schaft ins Fleisch. Harry ließ das Messer los und wusste, dass Rudolf Asajev dem Tod geweiht war. Der Stuhl des Alten kippte nach hinten, und der Russe fiel stöhnend zu Boden. Er trat den Stuhl weg und rollte sich auf dem Boden wie eine verletzte, aber noch immer gefährliche Wespe zusammen. Harry stellte sich breitbeinig über ihn, beugte sich nach unten und zog ihm das Messer aus dem Körper. Auffällig dunkles Blut quoll aus der Wunde. Kam es aus der Leber? Die linke Hand des Alten tastete rings um die gelähmte rechte Hand über den Boden und suchte nach der Waffe, und in einem verrückten Augenblick wünschte Harry sich, er möge sie tatsächlich finden und ihm einen Grund geben, um …
    Harry schob die Pistole mit dem Fuß weg und hörte sie gegen die Wand schlagen.
    »Der Stahl«, flüsterte der Alte. »Junge, segne mich mit meinem Stahl. Es brennt. Mach der Sache ein Ende, für uns beide.«
    Harry schloss für einen kurzen Moment die Augen und spürte, dass er ihn verloren hatte, sein Hass war weg. Die so angenehme, glühend brodelnde Wut, die ihn die ganze Zeit über angetrieben hatte, war wie weggeblasen.
    »Nein, nein«, sagte Harry. Stieg über den Alten, trat ein paar Schritte zur Seite und knöpfte sich den nassen Mantel zu. »Ich gehe jetzt, Rudolf Asajev. Ich werde den Jungen unten an der Rezeption bitten, einen Krankenwagen zu rufen, und dann sage ich meinem Exchef, wo er dich finden kann.«
    Der Alte lachte leise, und in seinem Mundwinkel bildeten sich hellrote Luftblasen. »Das Messer, Harry. Das ist kein Mord, ich bin doch schon tot. Du kommst nicht in die Hölle, das verspreche ich dir. Ich werde da unten Bescheid geben, dass sie dich nicht reinlassen sollen.«
    »Vor der Hölle habe ich keine Angst.« Harry steckte sich das nasse Päckchen Camel in die Tasche. »Aber ich bin Polizist. Es ist unser Job, mutmaßliche Straftäter vor den Richter zu bringen.«
    Die Luftblasen platzten, als der Alte hustete. »Komm schon, Harry, dein Sserrifstern ist doch aus Plastik. Ich bin krank. Das Einzige, was ein Richter tun kann, ist, mir Pflege, Fürsorge, Medizin und Morphium zu geben. Dabei habe ich so viele auf dem Gewissen. Konkurrenten, die ich an Brücken gehängt habe. Angestellte, wie diessen Piloten, bei dem wir den Ssiegelstein angewendet haben. Und auch Polizisten. Sixpence. Ich habe Andrej und Peter losgessickt, um dich zu erschießen. Dich und Truls Berntsen. Und weißt du, warum? Damit es so ausssieht, als hättet ihr euch gegensseitig getötet. Die Waffen, die wir euch in die Hand gedrückt hätten, ssollten das beweissen. Komm schon, Harry.«
    Harry wischte die Klinge am Bettlaken ab. »Warum wolltet ihr Berntsen töten, der arbeitet doch für euch?«
    Asajev drehte sich auf die Seite und schien so besser atmen zu können. Er blieb ein paar Sekunden in dieser Position liegen, bevor er antwortete. »Risiko-Kalkulation, Harry. Er hat hinter meinem Rücken ein Heroinlager in Alnabru ausgeraubt. Es war nicht mein Heroin, aber wenn man herausfindet, dass sein Brenner so gierig ist, dass man ihm nicht mehr trauen kann, und er darüber hinaus so viel weiß, dass er einen jederzeit zur Strecke bringen könnte, ist das Risiko zu hoch. Geschäftsleute wie ich stoßen ein solches Risiko dann ab, Harry. Außerdem bot sich unserer Meinung nach die perfekte Gelegenheit, gleich zwei Probleme auf einmal zu lösen. Du und Berntsen.« Er lachte leise.
    »Wie ich auch versucht habe, deinen Balg im Gefängnis zu töten. Hast du gehört? Hör auf deinen Hass, Harry.«
    Harry blieb vor der Tür stehen. »Wer hat Gusto getötet?«
    »Die Menschen leben nach dem Evangelium des Hasses. Folge dem Hass, Harry.«
    »Wer sind deine Kontaktpersonen in Polizei und Senat?«
    »Wenn ich dir das sage, hilfst du mir dann, der Sache hier ein Ende zu bereiten?«
    Harry sah ihn an. Nickte kurz und hoffte, dass man ihm die Lüge nicht ansah.
    »Komm näher«, flüsterte der Alte.
    Harry beugte sich vor, und plötzlich hing die Hand des Alten wie eine Kralle in

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