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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Körper zugrunde richtete und den Käufer in eine kalte, tropfende Hölle der Abhängigkeit katapultierte. Auch wenn Oleg nichts mit dem Mord an Gusto zu tun hatte, schuldig war er trotzdem. Er hatte sie in das Flugzeug gesetzt. Nach Dubai.
    Fly Emirates.
    Dubai liegt in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
    Es gab keine Araber, nur Dealer in den Arsenal-Trikots, die Violin verkauften. Trikots, die man ihnen gemeinsam mit der Instruktion, wie man richtig Dope verkaufte, ausgehändigt hatte: ein Mann für das Geld, einer für das Dope. Eine auffällige, aber dennoch nicht ungewöhnliche Aufmachung, die zeigte, was man verkaufte und zu welcher Organisation man gehörte. Keine der üblichen kurzlebigen Gangs, die immer an ihrer eigenen Gier scheiterten. An ihrer Dummheit, ihrer Faulheit, ihrer dreisten Achtlosigkeit. Eine Organisation, die keine unnötigen Risiken einging, zu keiner Zeit offenbarte, wer dahintersteckte, und die trotzdem das Monopol für den neuen Lieblingsstoff der Junkies zu haben schien. Oleg war einer von ihnen. Harry wusste nicht sonderlich viel über Fußball, er war sich aber ziemlich sicher, dass van Persie und Fàbregas für Arsenal spielten. Und ganz sicher war er sich, dass kein Tottenham-Fan jemals ein Arsenal-Trikot tragen würde, wenn es dafür nicht einen ganz triftigen Grund gab. So viel hatte Oleg ihm beigebracht.
    Es gab einen plausiblen Grund, weshalb Oleg weder mit ihm noch mit der Polizei reden wollte. Er arbeitete für jemanden oder etwas, von dem niemand wusste, was es war, das aber alle zum Schweigen brachte. Das war der Punkt, an dem Harry ansetzen musste.
    Rakel hatte zu weinen begonnen und bohrte ihr Gesicht in Harrys Halsbeuge. Die Tränen wärmten seine Haut. Sie rannen ihm unters Hemd, über seine Brust und sein Herz.
    Dann kam die Dunkelheit, schnell.
    Sergej lag auf dem Bett und starrte an die Decke.
    Die Sekunden vergingen, eine nach der anderen, doch je mehr er wartete, desto langsamer verging die Zeit. Dabei wusste er nicht einmal, ob es wirklich geschehen würde. Ob es notwendig werden würde. Er schlief schlecht. Träumte schlecht. Wollte es endlich wissen. Also rief er Andrej an und bat darum, mit dem Onkel zu reden. Aber Andrej sagte, der ataman sei nicht erreichbar. Nicht mehr und nicht weniger.
    So war es immer mit dem Onkel gewesen. Wobei Sergej den Großteil seines Lebens von dessen Existenz gar nichts gewusst hatte. Erst nachdem er – oder sein armenischer Strohmann – aufgetaucht war und alles geregelt hatte, war Sergejs Interesse geweckt worden. Dabei war auffällig, wie wenig die anderen in der Familie über ihren Schwager wussten. Sergej hatte in Erfahrung bringen können, dass der Onkel aus dem Westen gekommen war und in den Fünfzigern in die Familie eingeheiratet hatte. Einige sagten, er stamme aus Litauen, aus einer Kulaken-Familie, der Oberklasse aus Großbauern und Landbesitzern, die Stalin aktiv deportiert hatte, und dass seine Familie auf diese Weise nach Sibirien vertrieben worden war. Andere waren der Meinung, er sei ein Nachkomme einer kleinen Gruppe Zeugen Jehovas, die 1951 aus Moldawien nach Sibirien deportiert worden war. Eine alte Tante sagte, der Onkel habe sich, obwohl er ein belesener, sprachbegabter und weltoffener Mann gewesen sei, ohne weiteres an ihre einfache Lebensweise angepasst und sogar die alten sibirischen Urkatraditionen angenommen, als wären es die seinen. Und dass er es vermutlich dieser Anpassungsfähigkeit in Kombination mit seinem offensichtlichen Geschäftssinn zu verdanken hatte, dass die anderen Urkas ihn schon nach kurzer Zeit als Anführer akzeptiert hatten. Es dauerte nicht lang, und er war der Kopf eines der lukrativsten Schmuggelgeschäfte in ganz Süd-Sibirien. In den achtziger Jahren wurde das Geschäft des Onkels dann so groß, dass die Behörden einfach nicht mehr fürs Wegsehen bezahlt werden konnten. Während die sowjetische Gemeinschaft langsam zerfiel, schlug die Polizei eines Tages derart brutal und blutig zu, dass ihr Vorgehen eher einem Blitzkrieg als einer Polizeirazzia gleichkam. So äußerte sich jedenfalls ein Nachbar, der sich an den Onkel erinnerte. Erst hieß es, der Onkel sei getötet worden, er habe eine Kugel in den Rücken bekommen, und die Polizei habe ihn aus Angst vor Repressalien heimlich in die Lena geworfen. Einer der Polizisten konnte es sich nicht verkneifen, damit zu prahlen, dass er ihm sein Springmesser gestohlen hatte. Ein Jahr später gab es dann aber ein Lebenszeichen des

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