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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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erinnerte, an das Versteckenspielen bei Großvater, wenn er in den Schlafzimmerschrank gekrochen war und den süßlich-muffigen Geruch der Kleider eingesogen hatte, die mindestens so alt wie das Haus gewesen sein mussten.
    Harry fand nur einen Fünfhunderter und gab ihn Cato.
    »Hier.«
    Cato starrte auf den Schein. Streichelte ihn. »Ich habe da sso was gehört«, sagte er. »Es heißt, du wärst Polizist?«
    »Ach?«
    »Und dass du ssäufst. Wie heißt dein Gift?«
    »Jim Beam.«
    »Ah, Jim. Ein guter Bekannter von meinem Johnny. Und du ssollst diessen Typen kennen. Diessen Oleg?«
    »Kennst du ihn?«
    »Der Knast ist sslimmer als der Tod, Harry. Der Tod ist einfach, er befreit die Sseele. Aber der Knast frisst die Sseele auf, bis nichts Menssliches mehr an dir ist. Bis du ein Geist bist.«
    »Wer hat dir von Oleg erzählt?«
    »Meine Gemeinde ist groß und meine Kinder zahlreich, Harry. Ich höre nur ssu. Es heißt, du jagst diesse Person. Diessen Dubai?«
    Harry sah auf die Uhr. Um diese Jahreszeit war in der Regel viel Platz in den Flugzeugen. Von Bangkok konnte er auch nach Schanghai fliegen. Zhan Yin hatte ihm eine SMS geschickt, sie war diese Woche allein, und sie konnten gemeinsam in ihr Landhaus fahren.
    »Ich hoffe, du begegnest ihm nicht, Harry.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich …«
    »Wer das tut, stirbt.«
    »Cato, heute Abend werde ich …«
    »Hast du von dem Käfer gehört?«
    »Nein, aber …«
    »Ssechs Insektenbeine, die dein Gessicht durchbohren.«
    »Ich muss jetzt gehen, Cato.«
    »Ich habe es sselbst gesehen.« Cato legte das Kinn auf den Pastorenkragen. »Unter der Älvsborg-Brücke im Hafen von Göteborg. Ein Polizist, der eine Heroinliga ausgekundssaftet hat. Er hat einen Ssiegel mit Nägeln ins Gessicht gekriegt.«
    Plötzlich wurde Harry klar, wovon der andere sprach. Zjuk . Der Käfer.
    Die Methode kam aus Russland und war ursprünglich für Verräter gedacht. Zuerst nagelte man ein Ohr des Verräters direkt unter einem Deckenbalken am Boden fest. Dann schlug man sechs große Nägel halb in einen gewöhnlichen Ziegel und band diesen an ein Seil, das man über den Balken warf und das der Verräter mit den Zähnen festhalten musste. Die Pointe – die Symbolik – war klar: Solange der Verräter es schaffte, den Mund zu halten, blieb er am Leben. Harry hatte gesehen, was so ein Zjuk anrichtete. Bei einem armen Schlucker, der in Konflikt mit den Tapei-Triaden geraten war. Man hatte den Mann in einer Nebenstraße in Tanshui gefunden. Die Triaden hatten Nägel mit großen Köpfen verwendet, die nicht so tief in den Kopf eindrangen, und als die Rettungssanitäter kamen und ihm den Stein vom Kopf zogen, war sein ganzes Gesicht mitgekommen.
    Cato steckte den Fünfhunderter in die Hosentasche, während er Harry die andere Hand auf die Schulter legte.
    »Ich versstehe, dass du deinen Ssohn ssützen willst. Aber was, wenn wirklich er den anderen Junkie umgebracht hat? Der hatte nämlich auch einen Vater, Harry. Ihr nennt es aufopfernd, wenn ein Elternteil um ssein Kind kämpft, dabei geht es eigentlich immer nur um einen sselbst, um die eigenen Gene, die man ssützen will. Dafür braucht es keine ssonderliche Moral. Als ich Kind war und Vater uns aus der Bibel vorgelessen hat, fand ich, dass Abraham feige war, als er Gottes Wunsch nachkam, sseinen Ssohn zu opfern. Erst als Erwachsener habe ich verstanden, dass nur ein wirklich selbstlosser Vater bereit ist, sseinen Ssohn zu opfern, wenn es wirklich einer höheren Ssache dient als Vater und Ssohn. Wirklich, Harry.«
    »Du irrst dich. Oleg ist nicht mein Sohn.«
    »Nicht? Und warum bist du dann hier?«
    »Ich bin Polizist.«
    Cato lachte. »Ssechstes Gebot, Harry. Du ssollst nicht lügen.«
    »Ist das nicht das achte? Und soweit ich weiß, besagt dieses Gebot, dass du nicht falsch Zeugnis reden sollst wider deinen Nächsten. Ein bisschen über sich selbst zu lügen ist also wohl in Ordnung. Aber vermutlich hattest du nicht Zeit genug für das ganze Theologiestudium?«
    Cato zuckte mit den Schultern. »Jessus und ich, wir haben keine formelle Qualifikation. Wir ssind Männer des Wortes. Aber wie alle Ssamanen, Sseher und Ssarlatane flößen wir mitunter falsse Hoffnung und echten Trost ein.«
    »Du bist nicht einmal Christ?«
    »Lass es mich sso ausdrücken, echter Glaube ist mir nie ssuteilgeworden, nur Ssweifel. Und der ist zu meinem Testament geworden.«
    »Der Zweifel?«
    »Genau.« Catos gelbe Zähne leuchteten im Dunkel. »Ich frage dich:

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