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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ihm löste, hielt sie seine beiden Hände weiter fest und sah ihm ins Gesicht. Ihr Lächeln verdunkelte sich, als sie die Narbe in seinem Gesicht bemerkte.
    »Wie … dünn du geworden bist.«
    Harry lachte. »Danke, aber nicht ich bin dünner geworden, sondern …«
    »Ich weiß!«, rief Martine. »Ich bin dicker geworden. Aber das sind alle hier, nur du nicht, Harry. Alle außer dir. Außerdem habe ich eine Entschuldigung für meine Kilos …«
    Sie klopfte sich auf den Bauch, über dem der schwarze Lammwollpullover spannte.
    »Hm. Hat Rikard dir das angetan?«
    Sie lachte laut und nickte fröhlich. Ihr errötendes Gesicht strahlte wie ein Plasmabildschirm Wärme ab.
    Sie gingen zu dem einzigen freien Tisch. Harry setzte sich und beobachtete, wie sie sich mit ihrem kugelförmigen Bauch glücklich auf den Stuhl schob. Zwischen all den kaputten Leben und der hoffnungslosen Apathie wirkte es fast absurd.
    »Gusto«, sagte er. »Kennst du den Fall?«
    Sie seufzte tief. »Klar. Das tun alle hier. Er war ja ein Teil des Milieus. Er war nicht oft hier, aber wir haben ihn natürlich trotzdem hin und wieder gesehen. Ich glaube, alle Mädchen, die hier arbeiten, waren in ihn verliebt. Er war so schön!«
    »Was ist mit Oleg, der ihn umgebracht haben soll?«
    »Der war auch ab und zu hier. Gemeinsam mit einem Mädchen.« Sie runzelte die Stirn. »Umgebracht haben soll? Gibt es denn Zweifel daran, dass er es war?«
    »Das versuche ich gerade herauszufinden. Ein Mädchen, sagst du?«
    »Hübsch, aber klein und blass. Ingunn? Miriam?« Sie drehte sich zum Tresen um und rief: »He? Wie heißt noch mal die Stiefschwester von Gusto?« Dann gab sie sich selbst die Antwort, noch ehe jemand reagieren konnte. »Irene!«
    »Rote Haare und Sommersprossen?«, fragte Harry.
    »Ja, die war so blass, dass sie ohne diese Haare schlichtweg unsichtbar gewesen wäre. Du, im Ernst, am Ende schien die Sonne durch dieses Mädchen hindurch.«
    »Am Ende?«
    »Ja, wir haben gerade erst darüber gesprochen. Es ist verdammt lange her, dass sie das letzte Mal hier war. Ich habe schon einige unserer Gäste hier gefragt, ob sie aus der Stadt weggezogen ist, aber keiner scheint zu wissen, wo die abgeblieben ist.«
    »Erinnerst du dich an irgendwelche Vorkommnisse aus der Zeit, als der Mord passiert ist?«
    »Nichts Spezielles, sieht man von ebenjenem Abend ab. Ich hörte Polizeisirenen, und einer deiner Kollegen war hier. Als der dann einen Anruf bekam und Hals über Kopf nach draußen stürmte, dachte ich mir schon, dass es wieder einen aus unserer Gemeinde getroffen hatte.«
    »Ich dachte, die Fahnder dürften hier drinnen nicht arbeiten?«
    »Dürfen Sie auch nicht, aber der hat nicht gearbeitet, Harry. Der hat allein da hinten am Tisch gesessen und so getan, als würde er die Zeitung Klassekampen lesen. Es hört sich vielleicht eingebildet an, aber ich glaube, der war hier, um mich zu sehen.« Sie legte die Hand kokett auf ihre Brust.
    »So, so, du scheinst also einsame Polizisten anzuziehen.«
    Sie lachte. »Ich war es, die dich angemacht hat, schon vergessen?«
    »Ein christlich erzogenes Mädchen wie du?«
    »Sein Gespanne ging mir wirklich langsam auf den Geist, aber das hörte dann ja auf, als mein Bauch immer erkennbarer wurde. Egal. An diesem Abend stürmte er jedenfalls nach draußen und rannte dann in Richtung Hausmanns gate. Der Tatort ist ja gerade mal ein paar hundert Meter von hier entfernt. Kurz darauf kamen dann die ersten Gerüchte auf, dass Gusto erschossen worden sei. Und von Olegs Verhaftung.«
    »Was weißt du über Gusto, abgesehen davon, dass er einen Schlag bei den Frauen hatte und bei einer Pflegefamilie aufgewachsen ist?«
    »Man nannte ihn › Der Dieb‹. Und er hat Violin gedealt.«
    »Für wen?«
    »Er und Oleg waren früher für die MC -Gang oben aus Alnabru auf der Straße, die Los Lobos. Ich glaube aber, dass sie dann zu Dubai übergewechselt sind. Das macht jeder, der die Möglichkeit dazu hat. Der hat das sauberste Heroin, und nachdem dieses Violin aufgekommen war, kriegte man das auch nur bei den Dubai-Dealern. Und so ist es wohl noch immer.«
    »Was weißt du über diesen Dubai? Wer ist das?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mal, ob das ein Mensch oder eine Organisation oder sonst was ist.«
    »So präsent auf der Straße und trotzdem so unsichtbar? Kennt wirklich keiner die Hintermänner?«
    »Doch sicher, aber die etwas wissen, halten die Klappe.«
    Jemand rief Martines Namen.
    »Bleib sitzen«, sagte

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