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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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kleine wie große – die gleichen Dinge wollen: Macht und Sex. Und zwar in dieser Reihenfolge. Ihr Senatorin ins Ohr zu raunen und es ihr dabei kräftig mit zwei Fingern zu machen gab ihr manchmal einen solchen Kick, dass sie mit den Schweinen um die Wette quiekte. Echt, ich mache keine Witze.
    Und in dem Gesicht dieses Kerls erkannte ich etwas von der gleichen krankhaften Intensität.
    »Fuck off« , sagte ich.
    »Wer ist dein Chef? Ich will mit ihm sprechen.«
    Take me to your leader? Der Kerl war entweder verrückt oder dumm.
    »Hau ab!«
    Der Kerl rührte sich nicht, er blieb einfach mit einem seltsamen Knick in der Hüfte stehen und zog etwas aus der Tasche seiner Allwetterjacke. Eine Plastiktüte mit weißem Pulver, gut und gerne ein halbes Gramm.
    »Das ist eine Warenprobe. Gib die deinem Chef. Der Preis beträgt achthundert Kronen das Gramm. Seid vorsichtig mit der Dosierung. Ihr müsst das mindestens in zehn Teile aufteilen. Ich komme übermorgen wieder. Um die gleiche Zeit.«
    Der Mann gab mir das Tütchen, drehte sich um und hinkte über die Straße davon.
    Normalerweise hätte ich die Tüte in den nächsten Mülleimer geworfen. Ich konnte das Zeug nicht mal auf eigene Rechnung verkaufen, schließlich hatte ich einen Ruf zu verlieren. Aber dieses Leuchten in den Augen des Verrückten ließ mich zögern. Als wüsste er etwas.
    Als der Arbeitstag zu Ende war und wir mit Andrej abgerechnet hatten, nahm ich Oleg und Irene deshalb mit in den Heroinpark. Wir fragten herum, ob jemand bereit war, als Testpilot für uns zu fungieren. So einen Test hatte ich früher schon mal mit Tutu gemacht. War neuer Stoff in der Stadt, ging man damit zu dem Ort, an dem die kaputtesten Typen sich aufhielten. Die echt verzweifelten Junkies. In der Regel testen die alles, wenn es nur gratis ist. Ob sie mit dem Leben davonkamen, war ihnen scheißegal, wussten sie doch, dass der Tod ohnehin hinter der nächsten Ecke lauerte.
    Vier Mann meldeten sich, forderten aber ein Zehntelgramm als Zugabe. Als ich ablehnte, blieben mir noch immer drei. Dann portionierte ich das Pulver und teilte die Dosen aus.
    »Das ist viel zu wenig!«, schimpfte einer, der sich anhörte, als hätte er schon einen Schlaganfall hinter sich. Ich bat ihn, die Klappe zu halten, wenn er wirklich das Dessert wollte.
    Irene, Oleg und ich sahen zu, wie sie auf ihrer verkrusteten Haut nach Adern suchten und sich den Stoff dann mit überraschend effektiven Bewegungen injizierten.
    »Oh, verdammt!«, stöhnte einer von ihnen.
    »Fuuuuuuuu…«, heulte ein Zweiter.
    Dann wurde es still. Vollkommen still. Es war, wie eine Rakete ins Weltall geschickt und den Kontakt verloren zu haben. Aber ich wusste es bereits, hatte es ihrem ekstatischen Blick entnommen, bevor sie das Bewusstsein verloren hatten: Houston, we have no problem . Als sie wieder auf der Erde gelandet waren, dämmerte es bereits. Ihr Trip hatte mehr als fünf Stunden gedauert, doppelt so lange wie ein gewöhnlicher Herointrip. Das Testurteil war einstimmig. Keiner hatte jemals zuvor einen Stoff probiert, der ihnen einen solchen Kick versetzt hatte. Sie wollten mehr, den Rest aus der Tüte. Sofort. Sie flehten mich an, taumelten wie die Toten in Thriller auf uns zu, doch wir lachten nur laut und hauten ab.
    Als wir eine halbe Stunde später auf meiner Matratze im Übungsraum saßen, habe ich angefangen nachzudenken. Ein trainierter Junkie setzt sich gewöhnlich ein Viertelgramm Straßenheroin pro Schuss, während die härtesten Typen der Stadt hier schon von einem Viertel der Menge wie Jungfrauen abgehoben hatten! Der Typ hatte mir tatsächlich reinen Stoff gegeben. Aber was für ein Zeug war das? Es sah aus und roch wie Heroin, es hatte auch die gleiche Konsistenz, aber ein Fünfstundentrip von einer derart kleinen Dosis? Egal, mir war auf jeden Fall klar, dass ich auf einer Goldmine saß. Achthundert Kronen pro Gramm, das man dreimal strecken und dann für vierzehnhundert verkaufen konnte, bedeutete bei fünfzig Gramm pro Tag dreißigtausend direkt in meine Tasche. Und in die von Oleg und Irene.
    Ich erklärte ihnen mein Geschäftsmodell und rechnete es ihnen vor.
    Sie sahen sich an, wirkten aber nicht so begeistert, wie ich es mir vorgestellt hatte.
    »Und Dubai …«, fragte Oleg.
    Ich log ihn an und behauptete, es bestünde doch gar keine Gefahr, solange wir den Alten nicht beschissen. Wir müssten halt erst zu ihm gehen und sagen, dass wir aufhörten. Wir könnten ja vorgeben, Jesus begegnet zu sein, oder

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