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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Natur noch von Afghanistan. Der nutzt die einfache Chemie und macht alles daheim am Küchentisch. Volle Kontrolle und kein risikoreicher Schmuggel. Und das Zeug ist dabei mindestens so potent wie Heroin. Wir haben hier einen klugen Kopf in unserer Mitte, Gusto. Jemanden mit Erfindergeist, wir sollten ihm Respekt zollen.«
    »Respekt«, murmelte ich.
    »Wie viel können Sie produzieren?«
    »Zwei Kilo in der Woche, vielleicht. Das kommt darauf an.«
    »Ich nehme alles«, sagte der Alte.
    »Alles?«, fragte der Mann tonlos, aber ohne Überraschung in der Stimme.
    »Ja, alles, was Sie produzieren. Darf ich Ihnen ein geschäftliches Angebot unterbreiten, Herr …?«
    »Ibsen.«
    »Ibsen?«
    »Wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Aber nein, aber nein, auch er war ja ein großer Künstler. Ich möchte vorschlagen, dass wir uns zusammenschließen, Herr Ibsen. Vertikale Integration. Wir übernehmen den Markt und bestimmen die Preise. Das erhöht die Renditechancen für beide Seiten. Was meinen Sie?«
    Ibsen schüttelte den Kopf.
    Der Alte legte den Kopf zur Seite. Sein schmaler Mund verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Warum nicht, Herr Ibsen?«
    Ich beobachtete, wie der kleine Mann sich aufrichtete und fast aus seiner Allwetterjacke-für-die-Langweiler-dieser-Welt herauswachsen wollte.
    »Wenn ich Ihnen das Monopol gebe, Herr …?«
    Der Alte legte die Fingerkuppen aneinander. »Nennen Sie mich, wie Sie wollen, Herr Ibsen.«
    »Ich möchte mich nicht von einem einzigen Käufer abhängig machen, Herr Dubai. Das Risiko ist mir zu groß. Außerdem birgt das die Gefahr, dass Sie die Preise drücken. Andererseits will ich auch nicht zu viele, das würde mein Risiko, aufgespürt zu werden, nur erhöhen. Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie dafür bekannt sind, unsichtbar zu sein, aber ich will noch einen weiteren Käufer. Ich bin bereits in Kontakt mit Los Lobos. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür.«
    Der Alte lachte sein Fischerbootlachen: »Pass auf, Gusto, jetzt kannst du was lernen. Er kennt sich nicht nur in der Pharmazie aus, er ist sogar Geschäftsmann. Gut, Herr Ibsen, dann machen wir das so.«
    »Der Preis …«
    »Ich zahle die Summe, um die Sie gebeten haben. Sie werden herausfinden, dass man in dieser Branche seine Zeit nicht mit Handeln vergeudet. Dafür ist das Leben zu kurz und der Tod zu nah. Sagen wir: erste Lieferung Dienstag nächste Woche?«
    Auf dem Weg zum Ausgang tat der Alte so, als müsste er sich auf mich stützen. Seine Nägel krallten sich in die Haut meines Armes.
    »Haben Sie sich schon Gedanken über den Export gemacht, Ibsen? Sie wissen vielleicht, dass es in Norwegen bislang noch keine Ausfuhrkontrollen für Drogen gibt?«
    Ibsen antwortete nicht. Aber ich sah es jetzt. Erkannte, was er wollte. Die Art, wie er dastand, mit seinem Klumpfuß, dem leichten Knick in der Hüfte. Sah es in der Spiegelung auf der verschwitzten, blanken Stirn unter den schütteren Haaren. Die Feuchtigkeit war von den Brillengläsern verschwunden, und er hatte das gleiche Leuchten in den Augen wie vor Tagen in der Skippergata. Wiedergutmachung, Papa. Er wollte Wiedergutmachung. Entschädigung für all das, was er nicht bekommen hatte: Respekt, Liebe, Bewunderung, Akzeptanz, all die Dinge, die man sich angeblich nicht kaufen kann. Dabei geht das sehr wohl. Aber nur mit Geld, nicht mit Scheißmitgefühl. Stimmt das nicht, Papa? Das Leben schuldet dir etwas, und kriegst du es nicht von allein, musst du es einfordern, musst dein eigener Scheißkiller werden. Und wenn wir dafür in der Hölle schmoren sollen, wird es im Himmel verdammt leer sein, nicht wahr, Papa?
    Harry saß am Gate und starrte nach draußen zu den Flugzeugen auf den Rollbahnen.
    In achtzehn Stunden würde er in Schanghai sein.
    Er mochte Schanghai. Mochte das Essen dort, den Weg über The Bund entlang dem Huangpu-Fluss zum Peace Hotel und der Old Jazz Bar, in der die greisen Jazzmusiker sich durch ihr Standardrepertoire schrabbelten. Er mochte die Vorstellung, dass sie seit der Revolution 1949 dort saßen und ohne nennenswerte Pause ihre Lieder spielten.
    Er mochte sie. Mochte, was sie hatten, und was sie nicht hatten, was sie aber nicht weiter beeindruckte.
    Die Fähigkeit, sich nicht beeindrucken zu lassen. Eine wunderbare Eigenschaft, die ihm zwar nicht von Natur aus gegeben war, die er sich in den letzten drei Jahren aber antrainiert hatte. Man musste nicht mit dem Kopf durch die Wand, wenn es sich vermeiden ließ.
    Wie unerschütterlich ist dein

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