Die Last der Schuld
sah sie mit ernster Miene an. »Monroe hat mir befohlen, morgen abzureisen. Er hat einen neuen Auftrag für mich.«
Es schnürte Lana die Kehle zu, doch sie brachte es fertig zu nicken. »Du hast deinen Auftrag erledigt. Natürlich musst du gehen.«
Er musterte sie aufmerksam. »Ich werde Monroe sagen, dass du noch nicht so weit bist. Ich werde mir eine kleine Auszeit gönnen.«
Sie hatte keine Ahnung, wie sie es fertigbringen sollte, ihn gehen zu lassen, aber sie musste es schaffen. »Nein, du hast da drauÃen eine Aufgabe zu erledigen. Die Menschen brauchen dich.«
»Du brauchst mich ebenfalls.«
Das konnte Lana nicht leugnen. Sie hatte ihn lange genug angelogen. »Ich komme schon klar.« Das entsprach der Wahrheit. Sie kam immer irgendwie klar.
»Wirklich?« Er hob ihr Kinn an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. »Und was ist mit den Albträumen?«
»Ich werde mir therapeutische Hilfe suchen. Vielleicht bringt es ja diesmal was, jetzt, wo Kara nicht mehr frei herumläuft.«
»Du musst ihr möglicherweise noch mal gegenübertreten. Um gegen sie auszusagen.«
Oh Gott! Sie war sich nicht sicher, ob sie das konnte. Ob sie die Kraft hatte, sich erneut mit dieser Frau in einem Raum aufzuhalten. Und sei es, um sie hinter Gitter zu bringen. »Muss das sein?«
»Vielleicht. Im Moment gibt es nur zwei Personen, die wissen, dass du als Zeugin infrage kommst â ich und Monroe. Und es wäre mir lieb, wenn das vorerst so bliebe. Du bist eindeutig sicherer, solange du nicht als offizielle Zeugin geführt wirst.«
Sicherer, aber nicht sicher. Obwohl Kara in Untersuchungshaft saÃ, war Lana nicht in Sicherheit.
Aber vielleicht ihre Familie.
»Ich kann noch ein wenig bleiben«, bot Caleb an. »Aber wenn du das nicht willst, dann solltest du in ein Zeugenschutzprogramm oder in Schutzgewahrsam gehen.«
Sie wollte ihn bitten zu bleiben, doch das konnte sie ihm nicht zumuten. Sie wusste, dass es seiner Karriere schaden würde. Ein solches Opfer konnte sie ihm nicht abverlangen. »Mir gefällt keine dieser Möglichkeiten, aber ich verspreche dir, darüber nachzudenken. Fürs Erste muss ich mal diesen Tag hinter mich bringen. Okay?«
Ein enttäuschter Ausdruck breitete sich über sein Gesicht, doch er nickte. »Okay, aber wenn der Rummel vorbei ist, werden wir über diese Möglichkeiten reden. Einverstanden?«
Lana nickte. »Einverstanden.«
29
Lana konnte kaum glauben, wie viele Menschen zu ihrer Benefizveranstaltung gekommen waren. Hunderte von Familien hatten sich eingefunden, und Lana fragte sich, wie sie überhaupt alle Platz fanden. Das Baseballfeld hinter dem Jugendzentrum war voll von Kindern, die sich den diversen Rummelattraktionen widmeten, wie beispielsweise mit Bällen auf Blechdosen zu werfen oder mit Wasserpistolen auf Gummienten zu schieÃen. Doch die mit Abstand gröÃte Attraktion war das Wasserfass, wo Kinder wie Erwachsene mit einem Tennisball auf eine Scheibe zielten, um einen von Calebs Kollegen im Wasser zu versenken.
Sie hatte Caleb den ganzen Vormittag über kaum zu Gesicht bekommen, doch ab und zu sah sie sein Haupt aus der Menge ragen, und sofort beschleunigte sich ihr Puls. Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, dass Kara hinter Gittern saÃ, anstatt ständig daran zu denken, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn Caleb nicht mehr da wäre.
Lana betrat das nächste Zelt und blieb wie angewurzelt stehen. Grant befand sich am einen Ende und lieà sich von sechs kleinen Mädchen verkleiden. Eines der Theater am Ort hatte ihnen ein paar alte Kostüme geliehen, und im Moment trug Grant Eselsohren und ein Tutu über seiner Jeans. In der rechten Hand hielt er eine Plüschkarotte, und in der linken einen Zauberstab, der kunterbunt glitzerte. Ein freiwilliger Helfer schoss zum Andenken Polaroidbilder für die Mädchen, die die Männer begeistert ausstaffierten.
Am anderen Ende des Zelts stand Caleb, der ebenfalls von einem Schwarm kichernder Mädchen umringt war. Alle hielten einen grellen Schminkartikel in der Hand â Lippenstift, Lidschatten, Rouge â und bemalten abwechselnd Calebs Gesicht. Lana erwartete, denselben leidgeprüften Gesichtsausdruck zu entdecken wie bei Grant, doch stattdessen blickte Caleb lächelnd in einen Spiegel. »Du hast da eine Stelle vergessen«, sagte er zu einem kleinen Mädchen, das
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