Die Last der Schuld
würde die Zeit gern mit ihr verbringen.«
»Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.«
Stacie blickte auf die Uhr. »Apropos Zeit, hast du Kara gesehen? Sie sollte mich schon vor einer Stunde ablösen.«
Lanas Gesicht verwandelte sich in eine ausdruckslose Maske. »Nein. Ich hab sie nicht gesehen.«
»Seltsam. Sie ist sonst immer extrem pünktlich.«
***
Kara hatte keine Ahnung, wo man sie hinbrachte, aber vermutlich würde es ihr nicht gefallen. Sie musterte den bewaffneten Beamten, der mit ihr hinten im Transporter saÃ. Er war noch sehr jung, oder vielleicht wurde sie langsam alt. In jedem Fall war ihre Zeit so gut wie abgelaufen, und irgendwie war das in Ordnung.
Sie hatte sich Marcus gegenüber loyal verhalten, obwohl man ihr die Freiheit angeboten hatte, wenn sie gegen ihn aussagen würde. Glücklicherweise hatte sie ihre Verfolger kommen sehen, sodass sie den USB -Stick mit dem Video rechtzeitig aus dem Auto werfen konnte. Sie glaubte nicht, dass irgendjemand etwas bemerkt hatte, und selbst wenn, würde man dank dem dichten Verkehr auf der Interstate 70 kaum mehr als ein paar zertrümmerte Plastikteile finden. Kara konnte hoch erhobenen Hauptes sterben, in dem Wissen, den Mann, den sie liebte, gerettet zu haben. Denn sterben würde sie mit Sicherheit. Nachdem man mit ihr fertig wäre, würde man sie eiskalt beseitigen. Keine Akten. Keine Beweise. Keine Hinweise, dass sie je existiert hatte.
Wenigstens würde Marcus sich an sie erinnern. Diese Tatsache bot ihr ein wenig Trost.
Der Transporter schwenkte plötzlich nach rechts. Reifen quietschten. Der Wagen kippte und fiel auf die Seite. Karas Kopf schlug mehrmals gegen die Metallwand, und sie schüttelte ihn, um wieder klar sehen zu können. Ihr Bewacher konnte sich gerade noch abfangen, ohne auf sie zu stürzen. Die Ketten, mit denen sie an den Transporter gefesselt war, ratterten lautstark, und von drauÃen drang das kurze, scharfe Geräusch von Schüssen zu ihnen herein. Die Seitenwand des Transporters schlitterte kreischend über den Asphalt, bis der Wagen zum Stillstand kam.
Der Wachmann rappelte sich auf und zog im selben Moment seine Waffe, als die Flügeltüren des Transporters aufflogen. Ein weiterer Wachmann erschien in der Ãffnung. »Wir müssen sie in eins der Autos bringen. Ich gebe dir Feuerschutz.«
Der viel zu junge Wachmann tastete nervös nach den Schlüsseln. Die SchieÃerei lieà ein wenig nach, ohne vollständig zu verebben. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Wachmann ihre Handschellen geöffnet hatte.
Kara krabbelte aus dem Wagen. Der Beamte, der sie beide decken sollte, stolperte rückwärts, getroffen von einer Kugel.
Kara war wie erstarrt und blickte erschrocken in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. Marcus war da drauÃen. Er kauerte hinter einem dicken Baum, gerade mal zehn Meter von der verlassenen StraÃe entfernt.
Er war gekommen, um sie zu retten! Er würde sie mit nach Hause nehmen.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich über ihr Gesicht. Marcus erwiderte ihr Lächeln und richtete seine Waffe geradewegs auf sie.
Kara war starr vor Unglauben. Marcus war keineswegs gekommen, um sie zu retten oder nach Hause zu holen. Er war gekommen, um sie zum Schweigen zu bringen. Um sie zu töten.
»Ich habe ihnen nichts gesagt«, rief Kara, doch der Schmerz des Verrats lieà ihre Stimme dünn und hohl klingen.
»Ich weië, sagte er. »Und das wirst du auch nicht.«
Kara sah, wie sich die Sehnen in seinem Arm spannten, wie der Finger am Abzug zuckte.
Der junge Wachmann bemerkte es ebenfalls. Er stieà sie mit einem Ruck zur Seite.
Es fiel ein Schuss. Dann ein weiterer.
Kara erwartete, den beiÃenden Schmerz einer Kugel zu spüren, doch der Schmerz blieb aus. Sie verschwendete keine Zeit, um nachzusehen, was passiert war. Stattdessen stürzte sie zum nächstbesten Wagen â einem der bewaffneten Eskortfahrzeuge. Der Schlüssel steckte noch in der Zündung, der Motor lief. Sie setzte sich auf den Fahrersitz und trat hart aufs Gas. Die Reifen quietschten, doch sie lieà sich nicht beirren.
Ihr Blick ging alle zwei Sekunden hinauf zum Rückspiegel, doch es war niemand in Sicht. Weder der CIA . Noch Marcus.
Ein Stich von Trauer durchzuckte sie. Wenn sie nicht versagt hätte, hätte er ihr nicht aufzulauern brauchen. Es war alles furchtbar schiefgelaufen.
Und
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