Die Last der Schuld
ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr zu helfen.
»Ist âne verdammt harte Kiste für einen Vater, seinem kleinen Mädchen helfen zu wollen und nicht zu wissen, wie«, fuhr Mr Simmons fort.
Caleb musste in Erfahrung bringen, wie viel Lana ihrer Familie tatsächlich erzählt hatte. Vielleicht war dies der Schlüssel, um herauszufinden, ob sie irgendetwas verschwieg oder sich in Gefahr befand. »Wie viel wissen Sie über das, was Lana passiert ist?«
Mr Simmons lieà das Stemmeisen sinken und riss ein Stück Zierleiste mit seinen rauen Händen ab. »Nur, was mir ihr Vater mal bei ein paar Bier erzählt hat. Sie ist mit so einer Gruppe von Weltverbesserern nach Armenien gegangen. Anscheinend hat sie Kindern Kunstunterricht erteilt oder so. Ich weià nicht so genau. Jedenfalls ist wohl irgendetwas schiefgelaufen, und sie wurde von Terroristen als Geisel genommen. Die haben sie zusammen mit ein paar anderen Amerikanern drei Tage lang festgehalten und ziemlich übel zugerichtet. Aber Lana hatte als Einzige Glück im Unglück. Alle anderen sind dabei draufgegangen.«
Die Fakten stimmten, aber sie waren nicht viel aussagekräftiger als die Behauptung, dass der Ozean nass ist. Die Wirklichkeit war deutlich komplexer, doch Caleb sah keinerlei Grund, den Mann hierüber aufzuklären. »Ich glaube kaum, dass Lana hier von Glück sprechen würde.«
Mr Simmons nickte finster. »Das hat mein Kumpel, der in NAM war, auch gesagt.«
***
Lana entdeckte Stacies Auto auf dem Parkplatz und wusste, dass sie den morgendlichen Wettlauf schon wieder verloren hatte. Mann, diese Frau war echt früh dabei! Irgendwann würde Lana sie schlagen und als Erste auf der Arbeit erscheinen, aber nur wenn sie den Abend zuvor nicht ins Bett ging.
Sie parkte ihren Wagen und ging ins Büro, in der Erwartung, von frischem Kaffeeduft und Stacies schiefem Begleitgesang zu den Songs auf ihrem MP 3-Player begrüÃt zu werden. Doch stattdessen herrschte Totenstille. Das Licht war ausgeschaltet. Ãberall am Boden lagen Unterlagen verstreut.
Es sah aus, als hätte jemand ihr Büro durchwühlt.
Lana blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen und versuchte, den Anblick logisch einzuordnen. Dann hörte sie von der Toilette her ein leises Stöhnen, und ihr Schreck verwandelte sich umgehend in Panik. Sie rannte ins Bad und fand Stacie reglos am Boden. Ihre schicke gelbe Bluse war durchtränkt von Blut, das sich unter ihrem schlanken Körper zu einer dunklen Pfütze sammelte. Weiteres Blut drang ihr aus einer kleinen Wunde am Kopf.
Lana schrie schockiert auf und beugte sich zu Stacie hinab, um zu sehen, ob sie noch lebte. Bei Lanas Berührung stöhnte sie, jedoch ohne sich zu rühren. Lana wurde von Angst ergriffen, und eine Flut von grauenhaften Erinnerungen schoss durch ihren Kopf, bis ihr Verstand blockiert war von Schreckensbildern voll Blut und Schmerz. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein rebellierte eine innere Stimme: »Nein, nein, nein.«
»Lana?« Stacies Flüstern riss sie aus ihrer Starre und versetzte sie in Aktion.
»Ich bin hier, SüÃe. Beweg dich nicht! Bin gleich wieder da.« Lana stürzte sich auf das schnurlose Telefon, zog ihr T-Shirt über den Kopf und wählte 911.
Die Notrufstelle nahm den Anruf entgegen, während Lana ihr T-Shirt zu einem Kissen zusammenfaltete. Die weibliche Stimme am anderen Ende klang ruhig inmitten des Chaos. »Neun eins eins. Bitte beschreiben Sie Ihren Notfall!«
»Ich brauche einen Krankenwagen. Meine Freundin wurde verletzt. Angeschossen, glaube ich.« Ihre Stimme war starr vor Angst, doch immerhin verständlich. Sie wiederholte ihre Adresse und warf das Telefon beiseite, obwohl sie dazu aufgefordert wurde, am Apparat zu bleiben.
Dann drückte sie das gefaltete T-Shirt auf die Wunde an Stacies Brustkorb. Sie zischte vor Schmerz.
»Ich weiÃ, es tut weh«, sagte sie zu Stacie. »Tut mir leid, SüÃe, aber ich muss die Blutung stillen.«
Stacie kam immer mehr zu Bewusstsein. Ihre Haut war leichenblass, ihre Stimme heiser. »Ich hab ihm gesagt, er soll sich nehmen, was er will. Ich hätte nie versucht, ihn aufzuhalten. Er hatte keinen Grund, auf mich zu schieÃen.«
Es tat Lana in der Seele weh, und sie weinte innerlich bittere Tränen der Schuld. »Schhh. Versuch jetzt nicht zu reden.«
»Hier gibtâs doch gar nichts, was man stehlen
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