Die Last der Schuld
bringen, ohne das Konto der Stiftung vollständig zu plündern. Jede Stunde, die ich selbst arbeite, muss ich nicht in eine fremde Arbeitskraft investieren.«
»Wenn es dir hilft, verzichte ich diesen Monat auf mein Gehalt.«
Lana schnaubte. »Du arbeitest doch eh schon für einen Hungerlohn. Wenn ich mir dein Gehalt schon nicht mehr leisten kann, stecken wir wirklich in der Tinte.«
»Ich habe einen Blick in die Bücher geworfen. Du hast dir seit drei Monaten keinen Gehaltsscheck mehr ausgestellt.«
Lana verzog das Gesicht. Sie versteckte ihre Finanzunterlagen nicht vor Stacie, denn für gewöhnlich war das auch gar nicht nötig. Stacie hasste alles, was mit Zahlen zusammenhing. Die meiste Zeit ihres Erwachsenendaseins hatte sie als verwöhnte Managergattin verbracht, die es nicht gewohnt war, einen Taschenrechner in die Hand zu nehmen. Doch dann waren ihr Mann und ihr Sohn bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und mit einem Mal hatte die Zeit des Verwöhntseins ein Ende.
»Ich werde keinen weiteren Gehaltsscheck annehmen, solange du dir selbst keinen ausstellst«, beharrte Stacie.
»Ich komme schon klar.«
Stacie zog die Augenbrauen hoch. »Lügnerin.«
Lana spürte, wie sich ihr ein Lächeln auf die Lippen drängte, und sie gab dem Impuls nach. »Es gehört sich nicht, seine Chefin eine Lügnerin zu schimpfen.«
»Bei dem Gehalt muss ich mir meinen Bonus eben woanders suchen«, neckte Stacie. »Aber ich meine es ernst. Du kannst dich nicht in Schulden stürzen, nur um die Stiftung am Leben zu erhalten.«
»Ich habe keine Schulden.« Noch nicht. Aber sie stand verdammt noch mal kurz davor. Sie hatte gerade eben so genug Geld, um diesen Monat ihre Rechnungen und die nötigsten Lebensmittel zu bezahlen, das warâs. Sie hatte keine Ahnung, wie es danach weitergehen sollte.
»Mm-hmm. Und wann hast du dir das letzte Mal ein Paar Schuhe gekauft? Oder eine neue Bluse? Du hast Woche für Woche dieselben Sachen an. Und dieser Rucksack, den du als Handtasche mit dir rumträgst, ist absolut grauenhaft.«
»Ich bin sauber und gepflegt. Und ich bin anständig gekleidet. Das reicht. Und auÃerdem bestimme ich hier die Kleiderordnung, also spar dir die Kommentare.«
Stacie schüttelte den Kopf, sodass der Haarknoten an ihrem Hinterkopf hin und her rutschte. Lana hatte keine Ahnung, wie sie es schaffte, das Ding den ganzen Tag über in Form zu halten, aber ihre Frisur hatte noch nie versagt. »Ãbertreib es nicht! Ich weiÃ, wie viel dir daran liegt, dass die Sache gut läuft, aber ohne dich läuft hier gar nichts. Wenn du dich übernimmst, bist du am Ende verschuldet und krank â und unsere Krankenversicherung ist ziemlich bescheiden.«
»Welche Krankenversicherung?«
»Eben.«
Lana hob abwehrend die Hände, um sich vor weiteren mütterlichen Angriffen zu schützen. Davon bekam sie am Wochenende schon genug. »In Ordnung. Ich werde mich zusammenreiÃen.«
»Gut«, erwiderte Stacie, während sie aufstand und einen Stapel Papier zurechtrückte, um ihn in eine Aktenmappe zu stecken. »Dann wirst du heute mit mir zusammen Feierabend machen. Keine Ãberstunden.«
Das Klingeln der Türglöckchen bewahrte Lana davor, Stacie anzulügen.
Sie blinzelte ins grelle Sonnenlicht, als sich die getönte Glastür unvermittelt öffnete. Der abrupte Wechsel von dunkel zu hell weckte in ihr immer noch einen Sturm von lebhaften Emotionen, genau wie manche Gerüche intensive Erinnerungen in ihr auslösten. Es war lange her, seit sie aus dieser Höhle ins Sonnenlicht getragen wurde, doch sie würde das Gefühl nie vergessen, aus ihrem Albtraum befreit zu werden. Trotz ihres blutenden, gebrochenen und misshandelten Körpers war ihr vor lauter Freude das Herz aufgegangen. Jedes Mal, wenn sie in strahlendes Sonnenlicht blickte, erinnerte sie sich an dieses Hochgefühl. Sie genoss die Helligkeit, genoss die Tatsache, zu leben und frei zu sein, um diese Empfindungen genieÃen zu können.
Doch jenes erhebende Gefühl erhielt umgehend einen Dämpfer. Als Lana die eintretende Person erkannte, wusste sie, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Caleb Stone.
Lana hätte ihn überall wiedererkannt, ganz gleich, ob unter dem Namen Caleb oder â wie sie ihn zuerst kennengelernt hatte â als Miles Gentry, korrupter Sprengstoffexperte und Handlanger
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