Die Launen des Teufels
Bank vor dem erkalteten Kamin sinken. Ohne dass es ihr bewusst wurde, füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen. Als sich nach einer scheinbaren Ewigkeit die Küchentür öffnete, blickte sie nicht einmal auf, sondern schloss weinend die Augen.
Kapitel 26
Wie es sich für den letzten Tag vor dem Weihnachtsfest gehörte, zeigte sich der Donnerstag im feierlichen Gewand. Nach über einer Woche Düsternis, Nebel und Schneefall erstrahlte der Himmel an diesem Morgen in klarem Blau. Unberührt vom Tod seiner drei Kinder schlenderte Conrad in Richtung Rathaus, wo in weniger als einer Stunde das Ergebnis der Ratswahl verkündet werden würde. Drei Mäuler weniger zu stopfen, dachte er kalt. Wenn er auch noch Gertrud losgeworden war, würde seinem neuen Leben nichts mehr im Weg stehen! Sobald die Besetzung der freien Stühle feststand, würde der Alderman die neuen Mitglieder versammeln, um sie in einer Sondersitzung in ihr Amt einzuführen. Nachdem er sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, war Conrads Arroganz der Pest gegenüber zurückgekehrt, und er sah es als Zeichen Gottes an, dass sein Streben nach Macht endlich von Erfolg gekrönt war. Da es ihm gelungen war, einen Sitz im höchsten Organ der Stadt zu erlangen, bestand für ihn keinerlei Zweifel daran, dass er persönlich unter Gottes Schutz stand.
Er lächelte dünn. Wenn es nicht als Wink des Schicksals zu deuten war, dass Franciscus der Seuche erst erlegen war, nachdem er die Fäden für Conrad gezogen hatte, als was dann? Keine Sekunde lang verschwendete er sein Mitleid an den Abt, den er bereits halb vergessen hatte. Wenn seine Pläne aufgingen, würde auf sein Betreiben hin die Stadt und somit die Ratsversammlung die Aufsicht über den bevorstehenden Münsterbau übernehmen, da die Mönche nicht mächtig genug waren, um Amtsmissbrauch vorzubeugen. Das Lächeln verbreiterte sich. Womit er sich als Mitglied ein nicht zu verachtendes Nebeneinkommen an Bestechungsgeldern sichern würde. Schmunzelnd drängte er sich durch die vor dem Rathaus zusammengelaufene Menschenmenge, die trotz aller Warnungen der Obrigkeit der Gefahr einer Ansteckung trotzte, und schob sich an die vor dem Eingang angeschlagenen Listen heran. In regelmäßigen Abständen tauchte ein Stadtdiener aus dem Inneren des Gebäudes auf, um einen Namen durchzustreichen oder einen weiteren hinzuzufügen.
Als die Prozedur schließlich beendet war, erschienen – begleitet von einem Fanfarensignal – der Bürgermeister und der Alderman auf dem kleinen Balkon hoch über den Köpfen der Versammelten und baten gestenreich um Ruhe.
»Die Wahl war erfolgreich«, verkündete der Bürgermeister feierlich und nestelte an der schweren Kette mit dem Schlüssel der Stadt. »Die Gewählten, und ausschließlich die Gewählten, begeben sich in den Versammlungssaal.« Daraufhin begann er, die Liste der Namen zu verlesen, was der Menge den einen oder anderen überraschten Ruf entlockte. Als er geendet hatte, erhob sich ein brodelndes Stimmengemurmel, das wie von Zauberhand abgeschnitten verstummte, als Conrad gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern in die feierliche Stille der Rathaushalle eintauchte. Im Gänsemarsch wanden sich die Männer die Treppe hinauf, wo sie von zwei uniformierten Wächtern empfangen und in den Ratssaal geleitet wurden.
Dort thronten in dem mit prächtigen Wandmalereien geschmückten, lang gestreckten Raum bereits die vierzehn Patrizier unter ihren Familienwappen, die am Kopfende des Saales durch das zweigeteilte, schwarz-weiße Wappen der Stadt Ulm ergänzt wurden. Daneben prangte das Stadtsiegel, das den Reichsadler mit gespreizten Schwingen als Zeichen der reichsfreien Stellung Ulms darstellte. Umschrieben war dieses Siegel mit den lateinischen Worten: SIGILLUM UNIVERSITATIS CIVIUM IN ULMA – Siegel der Gemeinschaft der Bürger zu Ulm.
Gegen seinen Willen beeindruckt, folgte Conrad dem Platzanweiser und ließ sich auf einem der hochlehnigen Stühle nieder, die in einer Reihe der Wand entlang liefen. Streng geteilt in Zunftvertreter und Patriziat, blickten sich so die beiden Parteien direkt in die Augen, was manchen der Neulinge dazu veranlasste, den Kopf zu senken.
Im Gegensatz zu dem Bäckermeister zu seiner Linken hielt Conrad jedoch stolz den abschätzenden Blicken der reichen Ulmer stand, deren Kleidung von ihrer Macht und ihrem Einfluss zeugte. Wie Conrad selbst trugen die meisten von ihnen schreiend bunte Schecken, doch wohingegen sein eigenes Kleidungsstück aus
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