Die Launen des Teufels
feinem Leinen gefertigt war, protzten die Patrizier mit dem kostbaren Barchent. Steife Hüte wetteiferten mit gestreiften, mit Quasten versehenen Mützen, die auf gefärbten Schöpfen saßen. Dicke Ketten um ihre Hälse kündeten ebenso von ihrem Reichtum wie die prallen Geldkatzen, die viele von ihnen so drapiert hatten, dass man auch im Sitzen einen freien Blick darauf hatte.
Was für Gecken!, dachte der Gießer verächtlich, obwohl auch er eine Vorliebe für die neueste Mode hatte. Bevor er seine Betrachtungen vertiefen konnte, verkündete einer der Wachmänner die Ankunft des Bürgermeisters, der sich gemeinsam mit dem Alderman an der Stirnseite des Saales niederließ. Eine dritte Gestalt an ihrer Seite war durch die schlichte Kutte deutlich als Barfüßer zu erkennen, doch da die tief in die Stirn gezogene Kapuze ihr Gesicht verhüllte, konnte Conrad nicht erkennen, um wen es sich handelte.
»Ich heiße Euch alle zur heutigen Sitzung willkommen«, dröhnte der Bürgermeister, nachdem er sich mit einem kleinen Hämmerchen Gehör verschafft hatte. »Bevor wir die Versammlung eröffnen und über die dringlichsten Dinge abstimmen, wird Bruder Henricus den neu gewählten Mitgliedern den Eid abnehmen.« Er deutete auf den Mönch, der mit einer feierlichen Geste ein juwelenbesetztes Kruzifix unter seiner Ordenstracht hervorzog und in die Mitte des Saales trat. »Jeder von Euch wird vor Gott und allen Heiligen schwören, der Stadt Ulm und ihren Bürgern treu und redlich zu dienen und seine Macht nicht zu missbrauchen.« Mit diesen Worten übergab er an Henricus, auf dessen narbigem Gesicht ein strenger Ausdruck lag, als er den ersten Ratsherrn zu sich bat.
Nachdem die Vereidigung beendet war, nahm er seinen Platz an der Seite des Bürgermeisters wieder ein und betrachtete die Anwesenden mit ausdruckslosen Augen. »Zuerst muss darüber abgestimmt werden, ob das Läuten der Sterbeglocke in Zukunft untersagt wird«, hub der Vorsitzende an. »Wer dafür ist, hebt die Hand.«
Nahezu alle Arme schossen in die Höhe, und nachdem der Bürgermeister eine Notiz gemacht hatte, wandte er sich dem Alderman zu. »Bevor wir zu einem Problem kommen, das meinem Beisitzer am Herzen liegt«, fuhr er fort, »stellt sich die Frage, ob wir, wie in vielen größeren Städten bereits geschehen, eine Quarantäne von vierzig Tagen einrichten. Das bedeutet, dass alle Häuser, die von der Pest befallen sind, für die Dauer von vierzig Tagen versiegelt werden, und niemand sie verlassen darf – egal ob krank oder gesund.«
Ein Raunen lief durch die Reihen.
»Die Einhaltung dieser Quarantäne wäre durch die Stadtwache zu gewährleisten, was uns mit nicht unbeträchtlichen Problemen konfrontieren würde.« Er sammelte einen Moment seine Gedanken, bevor er hinzusetzte: »Damit die Eingeschlossenen nicht verhungern, muss die Stadt für ausreichende Nahrung sorgen.« Mehrere Mitglieder schnaubten abfällig. »Wer befürwortet diese Maßnahme?« Anders als bei der vorhergegangenen Frage zuckten lediglich ein halbes Dutzend Hände in die Höhe, womit der Vorschlag abgelehnt war.
»Bitte, Alderman.«
Mit einem Räuspern stemmte der schlanke Gesamtzunftvorsteher die Hände auf den Tisch und erhob sich langsam. »Wie bereits bei unserem letzten Zunfttreffen angesprochen, bereitet mir und vielen Mitgliedern die Tatsache Sorgen, dass es bei der Planung des Münsterbaus augenscheinlich zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.« Während Conrad sich zurücklehnte, um dem pompösen Sermon des Aldermans gelangweilt zu lauschen, rieb er sich innerlich die Hände. Beinahe eine halbe Stunde lang plätscherten die Worte über die Versammlung hinweg, bis Conrad eine Redepause des Vorstehers nutzte, um aufzuspringen und lautstark in den Raum zu werfen: »Ich beantrage, die Aufsicht über den Bau dem Rat zu übertragen.«
Die verdutzten Ausrufe ließen ihn selbstbewusst hinzufügen: »Da es sich eigentlich um ein Bauvorhaben der Stadt handelt, ist dies der einzig vernünftige Schritt. Damit wird den Heiligen Brüdern die Last der Verantwortung abgenommen, und die Versammlung kann Verstöße gegen die Regeln leichter ahnden.«
Dieser kühne Vorschlag erntete einen wahren Sturm an Kommentaren, doch da ein Großteil der Bürger es sowieso nicht gerne sah, dass die Mönche in den Bau der stadteigenen Kirche verwickelt waren, war die Resonanz vorwiegend positiv. Zwar würde das Münster in geistlicher Hinsicht dem Bischof in Augsburg unterstehen, doch würden die mit
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