Die Launen des Teufels
eigene Sicherheit, da sich Berichte über die gesetzlosen Wegelagerer in letzter Zeit gehäuft hatten. Mit einem Seufzen verdrängte sie die Ängste, füllte eine flache Schale mit dem Brei und erklomm die Treppe, um an die Tür ihrer Stiefmutter zu klopfen. Wie gewohnt, erhielt sie keine Antwort, da Gertrud sich von Tag zu Tag weiter in das Schneckenhaus der Trauer zurückzog und ihr Vater auch diese Nacht außer Haus verbracht hatte. Achselzuckend stellte sie das Frühstück auf dem Dielenboden ab und machte sich auf den Weg zurück in die Küche.
Sie hatte gerade den unteren Treppenabsatz erreicht, als die in den Eingangsbereich führende Tür aufflog und Conrad im Rahmen erschien. Seine von der Kälte aufgeplatzten Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Lächeln, als er sich vor ihr aufbaute und aus zusammengekniffenen Augen auf sie hinabstarrte.
»Heute nicht bei deinem Amor?«, fragte er süffisant und packte sie am Oberarm, bevor sie sich abwenden und vor ihm fliehen konnte. Abschätzend glitt sein Blick an dem eng geschnittenen Kleid entlang, das Franciscus ihr geschenkt hatte, bevor er zufrieden mit der Zunge schnalzte. »Hol deine Glocke«, befahl er knapp. »Du kommst mit.«
Der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ Anabel zurückweichen, doch mit einem brutalen Ruck zwang er sie, ihn anzublicken. In seinen blauen Augen lag so viel Berechnung, dass Anabel mühsam schluckte. »Aber ich muss ins Hospital«, protestierte sie schwach und versuchte entgegen besseren Wissens, sich von ihm loszumachen, was zur Folge hatte, dass er seinen Griff weiter verstärkte.
»Dafür ist später Zeit. Zuerst möchte dich jemand kennenlernen.«
Lähmende Furcht breitete sich in ihr aus, als sie ahnte, was diese Worte bedeuteten. »Nein.« Sie nahm allen Mut zusammen und stemmte die Hacken in den Boden. »Ich kann nicht mit dir kommen. Die Gräfin erwartet mich.«
Diese Information verschlug Conrad einen Augenblick lang die Sprache, bevor er den Kopf in den Nacken warf und brüllend lachte. »Sicherlich«, prustete er. »Die Gräfin.« Er ernüchterte und grub die Finger noch härter in Anabels Arm, sodass sie vor Schmerz aufkeuchte. »Tu sofort, was ich dir gesagt habe, oder du wirst bereuen, heute aufgestanden zu sein.« Damit stieß er sie hart von sich und drängte sie hinaus in die Dunkelheit, sobald sie mit ihrem Umhang aus der Küche zurückgekehrt war. »Die Gräfin!«, murmelte er abfällig. »Für wie einfältig hältst du mich?« Erneut versetzte er ihr einen Schlag in den Rücken, der sie beinahe stolpern ließ. »Als ob eine Gräfin so eine wie dich in ihre Nähe lassen würde!« Seine Stimme troff vor Verachtung, und obschon Anabel sich fürchtete, stieg flammender Zorn in ihr auf.
Mit gesenktem Kopf trottete sie vor ihrem Vater die beinahe menschenleeren, in dichtem Nebel liegenden Gassen entlang, bis er sie in der Nähe der Abtei zwang, nach rechts in das Viertel der reichen Tuch- und Fernhändler abzubiegen. Was im Namen aller Heiligen wollte er hier?, fragte sie sich, da trotz aller Befürchtungen allmählich Neugier in ihr aufstieg. Den Verwesungsgestank ignorierend, der auch hier entgegen aller Bemühungen die Arzneigerüche und Wacholderfeuer überlagerte, blickte sie sich fragend zu dem Gießer um. Mit einer Kopfbewegung gab dieser ihr zu verstehen, vor der Pforte eines mit einer übermannshohen Mauer umfangenen Fachwerkhauses haltzumachen, woraufhin er ohne Umschweife den eisernen Türklopfer betätigte.
Nach einigen Minuten des Wartens näherten sich aus dem Inneren des Hofes Schritte, und kurz nachdem Anabel das Klirren eines Schlüsselbundes vernommen hatte, öffnete sich die Pforte lautlos.
»Meister Conrad«, begrüßte ihn ein elegant gekleideter Mann mit einer leichten Verbeugung. »Meister Egloff erwartet Euch bereits.« Damit schloss er das Tor, ohne Anabel auch nur eines Blickes zu würdigen, und führte die Besucher auf das hell erleuchtete Haupthaus zu, vor dem sich zahllose Truhen, Tonnen, Säcke und Tuchballen unter einem hölzernen Vordach stapelten. Verunsichert folgte Anabel den Männern einen langen Korridor entlang die Treppe hinauf ins erste Obergeschoss, bis der Mann schließlich eine mit feinem Goldblatt beschlagene Tür öffnete und die Besucher mit einer höflichen Geste einlud, einzutreten. Eingeschüchtert von dem erdrückenden Prunk des riesigen Raumes senkte Anabel den Kopf und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen.
»Conrad!« Die kratzende Stimme sandte ihr
Weitere Kostenlose Bücher