Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Brenz zu erreichen, würde ihm nicht viel anderes übrig bleiben, als die Klosterfrauen zu bitten, ihm ein Dach über dem Kopf zu geben. Da er in der Vergangenheit bereits zweimal die Gastfreundschaft der Dominikanerinnen genossen hatte, wusste er, dass sie über mehrere Gästehäuser außerhalb der Ummauerung ihrer Anlage verfügten, was die Beherbergung männlicher Besucher ermöglichte.
    Er duckte sich tiefer über die Mähne und setzte im gestreckten Galopp über den frostharten Boden, bis er schließlich den befestigten Weg erreichte, der ihn kurz darauf an die Pforte der Abtei führte. Mit einem Schnalzen der Zunge und einem Ruck am Zügel verlangsamte er die Gangart zu einem ruhigen Trab und ließ den Blick der braunen Augen über die im Dunkeln liegenden Gebäude des Komplexes gleiten. Seltsam, dachte er verwundert. Selbst wenn sich die Schwestern zur Abendandacht in der Kirche aufhielten, sollte sich nicht wenigstens aus den Kaminen des Refektoriums der Rauch der Kochfeuer kräuseln?
    Stattdessen schien das einzige Lebenszeichen weit und breit das Schreien eines Esels zu sein, der – an einem Pfosten am Fuß der Mauer angebunden – wütend an seinem Führstrick herumbiss. Ansonsten wirkte das Areal vernachlässigt und verwaist – ein Eindruck, der durch einen halb eingefallenen Dachstuhl unterstrichen wurde.
    Als er schließlich vor dem Tor angelangt war, rutschte Wulf geschickt aus dem Sattel, wäre jedoch um ein Haar lang hingeschlagen, als er mit seinen eisernen Schnabelschuhen auf dem Eis ausglitt, das sich in den Pfützen gebildet hatte. Vorsichtig tastete er sich Schritt um Schritt vor, bis er die schief in den Angeln hängende Pforte erreichte, die ein mit Kohle aufgemaltes Kreuz hässlich entstellte. Was um alles in der Welt war hier vorgefallen?, fragte er sich misstrauisch und drückte gegen das kalte Holz, bis er den unaufgeräumten Hof überblicken konnte. Umgeworfene Eimer lagen ebenso achtlos im Schnee wie Heugabeln, Bretter und etwas, das sich bei genauerem Hinsehen als ein von Löchern zerfressenes Habit herausstellte.
    Wulfs Nackenhaare richteten sich auf. Die Hand am Schwertknauf, schob er sich weiter in Richtung Haupthaus, aus dessen Türen und Fenstern so unvermittelt eine Horde wild schreiender, zerlumpter Gestalten hervorbrach, dass er umringt war, bevor er begriffen hatte, was geschehen war. Jahrelange Kampferfahrung ließ ihn die Waffe ziehen und den ersten Angreifer mit einem mächtigen Hieb enthaupten, bevor dessen Kameraden die Dreschflegel und Mistgabeln erheben konnten.
    »Schlagt ihn tot!«, kreischte einer der schmutzverkrusteten Männer, die Wulf an dem blauen Zeug als leibeigene Bauern erkannte, und stürzte sich todesmutig auf den Ritter. Wie ein Hornissenschwarm kreiste die Schar der Angreifer um ihre Beute, kam sich ins Gehege und hieb nicht nur auf den Ritter ein, sondern auch auf die eigenen Männer. Schlag um Schlag wehrte der Katzensteiner ab, der bereits nach wenigen Augenblicken erkannte, dass er der Überzahl nicht lange gewachsen sein würde. Zwar schützte seine schwere Rüstung ihn vor den primitiven Waffen seiner Angreifer, doch schränkte sie gleichzeitig seine Bewegungsfreiheit so weit ein, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als den Rückzug anzutreten.
    Mit einem hässlichen Laut trennte er einem der Bauern den Arm vom Rumpf, was zur Folge hatte, dass der Rest einige wertvolle Sekunden zögerte, bevor sich wütendes Geheul erhob. So schnell es ihm die eisernen Beinschienen ermöglichten, stemmte Wulf die Füße in die Steigbügel seines nervös tänzelnden Rappen, hieb blind nach hinten und griff nach dem Zügel. Ein glühender Schmerz durchfuhr seinen Unterschenkel, als ein Dreschflegel sein Bein traf, doch bevor die Leibeigenen dazu übergehen konnten, mit den Mistgabeln nach seinem Reittier zu stechen, preschte Wulf bereits in Richtung Brenz davon.
    »Verdammt, das war knapp«, zischte er, als er sich mit hämmerndem Herzen versichert hatte, dass ihm niemand hinterhersetzte. Das wutentbrannte Gebrüll der um ihren Preis betrogenen Bauern erfüllte die Winterluft, und mit einem Schaudern wandte Wulf den Kopf, um einen letzten Blick auf die Gesetzlosen zu erhaschen. Seine Reise schien nicht gerade unter einem guten Stern zu stehen! Vermutlich hatten die Bauern diejenigen der Heiligen Schwestern, die nicht von der Pest dahingerafft worden waren, kurzerhand erschlagen, um sich deren Besitztümer anzueignen. Wie hatte er nur so dumm sein können, die

Weitere Kostenlose Bücher