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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Fliehenden zurückzuckte, entfloh Bertram ein heiserer Ausruf. Deutlich erkannte er die schmalen Lippen und harten Gesichtszüge des Glockengießers, dessen Augen sich zu Schlitzen verengten, als er der Gestalt des aufgesprungenen Knaben gewahr wurde. Die Schrecksekunde, in der sich der Blick des Meisters in Bertrams Augen bohrte, schien ewig zu währen, doch da der Fackelträger kaum mehr zwanzig Schritte entfernt war, ergriff der Gießer mit einem gotteslästerlichen Fluch die Flucht.
    Obschon ihm das Entsetzen die Glieder einfrieren lassen wollte, kroch Bertram wieselflink über den Leichenberg, kam mit zitternden Knien auf die Beine und gab ebenfalls Fersengeld.
    »Bleib stehen!«, donnerte der Ritter, doch blind vor Furcht und taub vor Grauen stob der Knabe Hals über Kopf davon.
     
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    »Was in drei Teufels Namen war das?«, brummte Baldewin, der den beiden von den Schwaden verschluckten Gestalten kopfschüttelnd nachstarrte, bevor er sich in der übel riechenden Gasse umsah. Kaum fiel sein suchender Blick auf den zusammengesunkenen Mann in der Nähe des Durchgangs, zog er scharf die Luft durch die Zähne und stieß einen weiteren Fluch aus. Vorsichtig näherte er sich dem Toten, beleuchtete die grotesk verzerrten Züge und ging in die Knie, um zwei Finger an den Hals des Mannes zu legen, dessen Kleidung ihn als Mitglied der Oberschicht auswies. Vermutlich war er das Opfer eines Diebes geworden, dachte Baldewin, der sich langsam aufrichtete, um sich erneut forschend umzublicken. Obschon die Chancen, einen der beiden Flüchtigen zu ergreifen, verschwindend gering waren, folgte er der Richtung, in die sie verschwunden waren, um sich kurz darauf auf einer Wegkreuzung wiederzufinden. Als er dort jedoch lediglich auf einen Zug betrunkener Narren stieß, die ihn derb beschimpften, schüttelte er resigniert den Kopf und  trottete zurück zu dem Ermordeten. Ärgerlich, nicht schneller reagiert zu haben, beugte er sich erneut über den Toten und suchte nach einer Erklärung. Trotz der schlechten Sicht war er sicher, dass es sich bei dem Schemen, der zuerst die Flucht ergriffen hatte, um den Mörder handelte. Nicht nur das deutlich zu erkennende Häs , das zu der im Schnee liegenden Holzlarve gehören musste, sprach für diese Beobachtung. Auch schien die zweite Gestalt viel zu schmächtig, um die Tat begangen zu haben, die Baldewin von Weitem beobachtet hatte. »Mist«, grollte er und kratzte sich unschlüssig am Kinn. Wo sollte er zu dieser Stunde einen Stadtwächter auftreiben? Verwünschungen murmelnd beschloss er, sich auf den Weg zum Rathaus zu machen, da in der dort untergebrachten Wachstube die Wahrscheinlichkeit am größten war, auf nüchterne Mitglieder der Wache zu treffen. Zwar ließ er die Gräfin nicht gerne ungeschützt in der Herberge zurück, in die sie erst heute eingezogen war, doch duldete diese Angelegenheit keinen Aufschub. Mit missfällig gerunzelten Brauen bahnte er sich einen Weg durch die enthemmten Feiernden, deren wildes Treiben seiner Ansicht nach in respektlosem Gegensatz zu dem allgegenwärtigen Leiden und Sterben stand. Er schnaubte und versetzte einer barbusigen Dirne, die ihm ihre Brüste unter die Nase hielt, einen groben Stoß. Angewidert stieg er über einen Haufen Zecher, die sich übereinander erbrachen, und trat einen leeren Weinschlauch zur Seite, auf den sich auf der Stelle ein zerlumpter Bettler stürzte. Wie konnten diese Menschen sich nur so verhalten?, fragte er sich ärgerlich und wandte den Blick von einem halben Dutzend junger Burschen ab, die es sich auf einer leeren Totenbahre gemütlich gemacht hatten. Vermutlich wollten sie sich durch diese Ausschweifung ihre Lebendigkeit beweisen, dachte Baldewin verächtlich und schlug einen Haken um ein auf offener Straße kopulierendes Paar. Als er nach kurzer Zeit sein Ziel erreichte, atmete er erleichtert auf, bevor er an die Tür der Wachstube klopfte.
     
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    Heftig keuchend lehnte Conrad den Rücken gegen die Tür und kämpfte einige Zeit lang um Fassung, bevor er sich mit fliegenden Fingern das Häs vom Leib riss und es mitsamt der Fuhrmannspeitsche in dem Strohhaufen versteckte, der Bertram als Schlafunterlage diente. Wie hatte es nur dazu kommen können, dass ausgerechnet sein Lehrling ihn bei der Tat beobachtete, die Conrad an den Galgen bringen würde, sollte der Bursche reden?! Verdammt! Verdammt! Verdammt!, fluchte er innerlich und versicherte sich, dass der Griff der Peitsche so weit aus dem

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