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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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riss ihn der stechende Schmerz in seinen Schultern aus der Apathie und ließ ihn den Oberkörper vorbeugen.
    »Mach schon«, trieb ihn einer der Gepanzerten an und versetzte ihm einen Tritt in die Kniekehlen, der ihn straucheln ließ. Flüssiges Feuer schien ihn zu übergießen, als ihm die Gelenke aus den Pfannen springen wollten, doch als ihn ein weiterer Tritt traf, rappelte er sich unter Aufbietung seiner letzten Kräfte auf. Die Kälte des frühen Morgens schlug ihm ins Gesicht, als die Wachen ihn über den Marktplatz zum Metzgerturm schleiften, wo sie ihn einem zahnlosen Schergen übergaben, der ihn voller Vorfreude begaffte. »Er darf ein Geständnis ablegen«, bemerkte einer der Wächter höhnisch und drosch dem Kerkermeister auf den Rücken. »Viel Vergnügen, Geri.«
    »Mord, soso«, murmelte dieser vergnügt und packte Bertram hart an der Kehle. »Für Mörder habe ich eine ganz besondere Behandlung.« Er lachte meckernd. »Aber das wirst du bald merken.«
    Leise vor sich hin glucksend beförderte er den stolpernden Knaben in das pechschwarze Innere des Turms, in dem eine steile Treppe im Nichts verschwand. Mit einem Blick in den schwarzen Schlund über ihren Köpfen, stieß Geri seinen Gefangenen nach links, wo ebenso steile Stufen in den Keller des Gefängnisses führten, aus dem unheimliche Geräusche drangen. »Da oben hausen die hohen Herren«, kicherte der Kerkermeister und schleuderte Bertram nach scheinbar endlosen Minuten gegen eine von schleimigem Moos bewachsene Steinmauer, an der sich dünne Rinnsale einen Weg zwischen den Fugen suchten. Nachdem er die halb herabgebrannte Fackel in den Halter neben der Tür gesteckt hatte, schob er einen von einem riesigen Bund hängenden Schlüssel ins Schloss und bugsierte seinen Gefangenen ohne weitere Worte in eine winzige, kaum zehn auf zehn Fuß messende Zelle.
    »Ich weiß noch nicht, wann ich mich um dich kümmern kann«, krächzte Geri, dessen im Schein der Fackel glänzendes Gesicht Bertram Albträume bereiten würde. »Aber keine Angst. Früher oder später bist du an der Reihe.« Mit einem weiteren meckernden Lachen schlug er die Tür zu, schob den Riegel vor und drehte den Schlüssel. »Ich wünsche, angenehm zu ruhen.« Das unheimliche Lachen war noch nicht verhallt, als Bertram etwas Weiches über den Fuß huschte. Mit einem Schrei taumelte er nach hinten, stieß jedoch augenblicklich gegen einen in Ketten klirrenden Körper, der leblos an der Wand hing.
    Atemlos vor Grauen wich er zurück, presste den Rücken gegen die kalten Buckelquader der entgegengesetzten Wand und kniff die Augen zusammen. Einige Zeit lang verharrte er regungslos, lauschte auf die furchtbaren Geräusche aus den Tiefen des Gefängnisses und versuchte, nicht an die Ratten zu denken, die zweifelsohne das Rascheln des Strohs verursachten. Allmählich ließ die Intensität des Gestankes nach, dessen Mischung aus Exkrementen und Verwesungsgeruch ihm die Kehle zuschnürte, und seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Dankbar darüber, nicht wie sein Zellengenosse an die Wand gekettet zu sein, näherte er sich diesem neugierig und berührte ihn leicht mit der Schulter an der Brust. Als dieser nicht reagierte, fasste er sich ein Herz und stieß ihn etwas heftiger an, was zur Folge hatte, dass der Kopf des Mannes schlaff hin und her rollte. Keuchend sprang Bertram zurück, als das durch ein vergittertes Fenster unter der Decke hereinfallende fahle Mondlicht die eingefallenen Züge beleuchtete. Deutlich zeichneten sich die todbringenden schwarzen Flecken ab.
    »Der Herr sei mir gnädig«, hauchte er schwach und sank dicht neben der Tür ins Stroh. Ein Pesttoter in derselben Zelle! Trotz aller Bemühungen schlugen seine Zähne inzwischen unkontrollierbar aufeinander. Gott hatte ihn verlassen! Wie hatte er nur so leichtsinnig sein können, Seinen Willen infrage zu stellen?! Glühend heiß fielen ihm die Worte ein, mit denen er Anabel getröstet hatte: Ein Gott, der behauptet, dass es deine Schuld ist, ist kein Gott, an den ich glauben will. Als ob man sich den Gott aussuchen konnte, an den man glaubte! »Verzeih mir meinen Hochmut, Herr«, murmelte er. »Wer bin ich, dass ich deine Wege anzweifeln darf?« Während sich das Zittern in seinem Körper ausbreitete, wiegte er sich auf den Knien hin und her und flehte um Vergebung. 
    Als vor dem Fensterchen über seinem Kopf bereits die Dämmerung heraufzog, ließ er sich erschöpft und hungrig ins Stroh sinken. Seine Kehle brannte,

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