Die Launen des Teufels
gewöhnlich nicht zur Verfügung standen. Auf Baldewins Ratschlag hin hatte sie die gesamte Herberge für sich, den Ritter und ihre neue Zofe gemietet, was sich bei ihrer Ankunft am gestrigen Tag als weise herausgestellt hatte. Zwar hatte das katzbuckelnde Wirtsehepaar die Gaststube, welche für gewöhnlich auch als Schlafsaal diente, ausgefegt und mit einem frischen Bodenbelag versehen. Doch hatte der Geruch von Pferdemist und der direkt an die unverschlossenen Fenster angrenzenden Abfallgrube sie erschauern lassen.
Erschöpft von der unruhigen Nacht sank sie auf einen der grob gezimmerten Schemel, die außer dem Bettkasten und dem ausladenden Tisch die einzigen Einrichtungsgegenstände darstellten. Kaum hatte der fette Wirt befürchtet, sie an die Konkurrenz zu verlieren, hatte er ihr angeboten, die Stube zu beziehen, die ihm und seiner Frau als Unterkunft diente, und die als einziger Raum außer der Gaststube über eine Feuerstelle verfügte. Er selbst würde mit seiner Grete in der Heukammer nächtigen, die genügend Platz für zwei bis vier Personen bot.
Mit grüblerisch in Falten gelegter Stirn betrachtete Katharina ihren Sohn, der in einem mit Fellen ausgelegten Weidenkörbchen selig schlummerte.
Mit dem heutigen Dienstag brach der fünfte Tag nach dem Dreikönigsfest an, und mit jedem neuen Morgen wuchs die Wahrscheinlichkeit, Nachricht von Ulrich zu erhalten, dass seine Männer auf dem Weg waren, sie abzuholen. Wehmütig strich sie dem Kind eine der feinen Haarsträhnen aus der Stirn, was zur Folge hatte, dass der kleine Wulf mit einem Schmatzen den Kopf drehte. Das Warten kam einer Folter gleich. Noch immer hatte sie keine Entscheidung getroffen, wem sie ihr Kind anvertrauen sollte, und wenn sie nicht bald einen Entschluss fasste, würde es zu spät sein. Liebevoll zog sie die Decke bis ans Kinn des Knaben und beugte sich über ihn, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, bevor sie sich wieder erhob und nach ihrem Mantel griff. Sobald der Termin ihrer Abreise feststand, würde sie das Unvermeidliche tun müssen, doch bis dahin wollte sie jede Sekunde mit ihrem Sohn genießen.
Nach einem letzten Blick auf den schlafenden Knaben griff sie nach dem Türknauf und trat in den engen, zugigen Korridor hinaus, der nach Feuchtigkeit und altem Tran stank. Die Übelkeit überwindend, tastete sie sich die knarrenden Stufen hinab in den Schankraum, wo der aus der Kälte eintretende Baldewin soeben Anabel zu einer Bank führte, auf der sich das Mädchen schlotternd niederließ. Als sie Katharinas Anwesenheit gewahr wurden, verneigte sich der Ritter tief, während Anabel zurück auf die Füße sprang, um in einen ungeschickten Knicks zu sinken. Als sie sich wieder aufrichten wollte, versagten ihr die Kräfte, und sie fiel nach einem kurzen Kampf um das Gleichgewicht ungeschickt auf die Knie.
»Anabel«, rief Katharina besorgt aus. »Ist dir nicht wohl?«
Mit einer gestotterten Entschuldigung kam die junge Frau zurück auf die Beine, wischte sich den Staub von den Röcken und murmelte: »Verzeiht, ich fühle mich heute ein wenig schwach.«
Die Blässe ihrer Wangen wurde für den Bruchteil eines Moments von einem Hauch Röte vertrieben, der jedoch umgehend wieder aus ihrem Gesicht wich. »Ich habe einige Dinge mitgebracht.« Ihre Rechte zitterte, als sie auf ein kleines Bündel wies, das sie auf der Bank abgelegt hatte, und das Spuren geschmolzenen Schnees aufwies, der auch die fadenscheinige Glocke des Mädchens verunzierte.
Was war nur los mit ihr?, fragte sich Katharina, schluckte jedoch die Frage, die ihr auf der Zunge lag, da sich Anabels Miene zu einer starren Maske verschlossen hatte. »Hast du schon gefrühstückt?«
Als die Angesprochene scheu den Kopf schüttelte, gab Katharina Baldewin mit einem Wink zu verstehen, sie zurück auf die Bank zu drücken, während sie selbst den Kopf in die Küche steckte und der rotwangigen Grete befahl, drei Schalen zu füllen. Daraufhin gesellte sie sich zu den beiden, die sie verdutzt anblickten, und bemerkte lächelnd: »Wir wollen den Standesunterschied einfach eine Weile lang vergessen.« Als Baldewin den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln und setzte trocken hinzu: »Wer weiß, wie lange ich noch die Gräfin von Württemberg bin.« Die Empörung, die sich daraufhin deutlich auf den rauen Zügen des Ritters abzeichnete, bestätigte die Vermutung, die sie seit einiger Zeit hegte. Zu deutlich war die Liebe, die er für sie
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