Die Launen des Teufels
verzerrter Miene und verstärkte den Druck so weit, dass ein Blutstropfen Conrads Hemdbrust verfärbte. »Soll ich Euch auf der Stelle töten oder die Wache rufen?«
Alle Farbe wich aus dem Gesicht des Glockengießers, als ihm bewusst wurde, wer es war, der ihn bedrohte. »Sie ist meine Tochter«, krächzte er und versuchte vergeblich, den blitzenden Stahl zur Seite zu schieben. »Ich habe die Muntgewalt über sie!« Baldewins Augen verengten sich. »Schon wieder Ihr«, fauchte er. »Allmählich werdet Ihr lästig!« Ohne die Waffe zurückzuziehen, wandte er sich zu Anabel um, die sich ungeschickt aufrappelte, und fragte streng: »Ist es wahr, was er sagt?« Seine grünen Augen bohrten sich forschend in die der jungen Frau, und als diese nickte, presste er abwägend die Lippen aufeinander. »Trollt Euch!«, befahl er schließlich unwirsch und stieß Conrad von sich. »Solange sie in den Diensten der Gräfin ist, haltet Euch von ihr fern. Was Ihr danach mit ihr anfangt, ist Eure Sache.«
Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt und er ergriff den Arm des Mädchens, um es ins Innere der Herberge zu führen, nachdem es die im Schnee verstreuten Einkäufe aufgelesen hatte. Dort packte er sie an den Schultern und zwang sie, zu ihm aufzublicken. »War das wirklich dein Vater?« Die Strenge wich einem mitleidigen Ausdruck, und als Anabel eine bejahende Antwort flüsterte, schüttelte er ungläubig den Kopf. »Warum sucht er nach dir?«
Während sich die Gegenwart des Ritters wie ein schützender Mantel über sie senkte, rang Anabel vergeblich um Worte. Hart, aber dennoch beruhigend hielten sie seine Pranken auf der Stelle fest, und nachdem sie einige unzusammenhängende Worte gestammelt hatte, brach ihre Selbstbeherrschung zusammen. Schluchzend senkte sie den Kopf und weinte lautlos, ohne des hilflosen Entsetzens des hünenhaften Mannes gewahr zu werden, der sie behutsam auf eine Bank zuschob.
Dort bettete das Mädchen den Kopf auf die Arme und ließ ihrer Trauer freien Lauf, bis sie die sanfte Stimme Katharinas von Helfenstein aufschreckte.
»Willst du mir nicht anvertrauen, was dich quält?«, fragte die Gräfin, in deren Blick Sorge und noch etwas anderes lagen. »Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.«
Das Erstaunen über diese Äußerung sorgte dafür, dass Anabels Tränen versiegten, und nachdem sie sich verschämt die Nase geputzt hatte, senkte sie die verschwollenen Augen.
»Wer hat dir das angetan?«, fragte Katharina nach kurzem Schweigen und zeigte auf einen ärgerlich roten Striemen, der über Anabels Unterarm lief. Mit einer freundschaftlichen Geste legte sie die Hand auf den Rücken der jungen Frau und streichelte diesen vorsichtig. »Glaub mir, ich weiß, wie hilflos du dich fühlst«, sagte sie leise. »Gegen den Willen der Männer sind wir machtlos.«
Verwundert hob Anabel die tränenfeuchten Lider und blickte in das offene Gesicht der Gräfin. Sollte sie tatsächlich meinen, was sie sagte? Einen winzigen Moment hielten Hoffnung, Vertrauen und Furcht in ihr Widerstreit, bevor sie sich mit einem tiefen Seufzer die feuchten Wangen trocknete und bebend anhub: »Vor zwei Tagen wurde nicht weit von hier der Alderman ermordet.« Der Blick, den der Ritter ihr bei dieser Feststellung zuwarf, jagte ihr einen Schauer über den Rücken, aber sie fuhr dennoch fort. »Es war mein Vater.«
»Was redest du da?«, unterbrach sie Baldewin ungehalten. »Woher hast du diese Information?«
Erschrocken über die Heftigkeit des breitschultrigen Mannes, wich Anabel zur Wand zurück, doch Katharinas Nicken ermutigte sie, fortzufahren. Nach einem schweren Schlucken berichtete sie leise, aber sachlich von der Nacht, in der Bertram für eine Tat verhaftet worden war, die Conrad begangen hatte. Kaum waren ihre Worte verklungen, schnellte Baldewin auf die Beine und stieß einen wüsten Fluch aus.
»Ich wusste, dass mit diesem Kerl etwas nicht stimmt!«, brauste er auf und drosch die Faust in die Handfläche. »Der andere ist ein Knabe, sagst du?« Anabel nickte. »Wie konnte ich das nur übersehen?«, schalt er sich und rieb sich das Kinn.
»Was wollt Ihr damit sagen, Baldewin?«, forderte Katharina ihn auf und gab ihm zu verstehen, sich wieder zu setzen.
»Eine der Gestalten, die ich in jener Nacht gesehen habe«, brummte Baldewin, »war von schlanker Statur.« Erneut legte er die Stirn in zornige Falten. »Und diese Gestalt ist dem Mörder gefolgt! Der Hästräger selbst war groß und breit.« Er ließ die
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