Die Launen des Teufels
Gemahlin.« Damit zog sie sich ins Innere des Infirmariums zurück. Hätte sie einen letzten Blick über die Schulter geworfen, hätte sie das schmallippige Lächeln des besorgten Vaters daran zweifeln lassen, ob sie das Richtige getan hatte.
So jedoch machte Conrad auf dem Absatz kehrt und bog kurze Zeit später in die Straße ein, die nur wenige Dutzend Schritt von dem Durchgang entfernt war, an dem der Alderman sein Leben ausgehaucht hatte. Was für ein merkwürdiger Zufall!, dachte er und blieb wie angewurzelt stehen, als er den Ritter erkannte, der unter der gelb angemalten Gans Wache hielt. Erschrocken wollte er gerade unauffällig wieder kehrtmachen und das Weite suchen, als der Gepanzerte ihm den Kopf zuwandte und fragend ausstieß: »Ihr? Was sucht Ihr hier?«
Während die Erklärungen in Conrads Kopf übereinanderstolperten, verneigte er sich leicht und hob entschuldigend die Schultern. »Ich wollte mir den Ort noch einmal bei Tageslicht ansehen«, log er dreist. »Vielleicht hat die Stadtwache etwas übersehen.«
Die grünen Augen des Ritters verengten sich, und während er Conrad schweigend anstarrte, wünschte sich dieser an einen weit entfernten Ort. Warum hatte er nur so töricht sein müssen, nach seiner Tochter zu suchen?, schalt er sich. Und warum hatte er nicht eins und eins zusammenzählen und den Fackelträger mit diesem Ort in Verbindung bringen können?! Immerhin wusste er genau, wo sich die Goldene Gans befand!
»Nein«, erwiderte der Wächter schließlich mürrisch und wies mit dem Kinn auf den Durchgang. »Ich habe mich schon mehrmals umgesehen. Aber es gibt keinerlei Hinweise auf den Täter außer der Maske.« Erneut musterte er Conrad eisig. »Aber das ist Euch ja gewiss bekannt. Immerhin habt Ihr den Mörder entlarvt.«
Eine innere Stimme riet Conrad, diesem Mann so schnell als möglich den Rücken zu wenden und sich zurückzuziehen. Doch einer arroganten Eingebung folgend erkundigte er sich unschuldig: »Ihr habt ihn doch auch gesehen?« Seine Stimme hätte Glas geschnitten.
»Nein«, versetzte der Ritter nach einem kurzen Moment des Schweigens. »Ich konnte nur seinen Schatten erkennen.«
Obschon der Ritter dies bereits in der Mordnacht zugegeben hatte, schien etwas an Conrads Erscheinung sein Misstrauen erregt zu haben. Bevor das Spiel entgleisen konnte, tippte der Gießer sich grüßend an die Kappe und schlenderte gezwungen langsam davon. Verflucht!, grollte er zornig, als mit der nächsten Häuserecke der Ritter aus seinem Blickfeld verschwand. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Seine Tochter unter einem Dach mit dem einzigen Mann außer Henricus, der ihm gefährlich werden konnte. Er musste sie wieder in seine Gewalt bringen, bevor sie mit ihrem losen Mundwerk Schaden anrichten konnte!
Grübelnd zog er ziellos durch die Gassen, während in seinem Gehirn die Vorgehensweise Gestalt annahm, die ihm am schnellsten zum Erfolg verhelfen würde. Kaum war ihm klar, wie er Anabels habhaft werden konnte, kehrte das Lächeln auf sein Gesicht zurück, und er schlug einen Haken, um zu der Herberge zurückzukehren. Verborgen im Schatten der Häuser würde er darauf warten, dass sie den Schutz der Goldenen Gans verließ und sich an ihre Fersen heften, bis er sie an geeigneter Stelle dazu zwingen konnte, mit ihm in die Glockenhütte zurückzukehren!
Kapitel 40
»Wir brauchen frischen Fisch und Fleisch.«
Die Stimme der Gräfin ließ Anabel von der Näharbeit auf ihrem Schoß aufblicken und verstört blinzeln. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht in der winzigen, an die Gaststube angrenzenden Kammer, die man ihr zugewiesen hatte, fühlte sie sich ausgelaugt und kraftlos. Stunde um Stunde hatte sie sich das Gehirn zermartert, wie sie Bertram aus seiner furchtbaren Lage befreien konnte. Und mit jeder Minute, die verstrich, ohne dass sie einer Lösung des Problems näher gekommen war, höhlte sie die Furcht mehr und mehr aus. Mit bohrenden Kopfschmerzen hatte sie sich auf dem weichen Lager hin- und hergeworfen und eine Möglichkeit nach der anderen durchgespielt; was jedoch lediglich dazu geführt hatte, dass ihr die Ausweglosigkeit der Situation mit brutaler Schärfe klar geworden war. Weinend hatte sie versucht, die grauenvollen Bilder zu verdrängen, die sie quälten, und sich eingeredet, dass man Bertram kein Leid zufügen würde. Doch es hatte nicht lange gedauert, bis ihr gesunder Menschenverstand diese Selbstlüge zerschmettert hatte wie brüchigen Ton. Am Morgen
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