Die Launen des Teufels
Faust auf den Tisch fallen. »Er hat mich übertölpelt wie einen einfältigen Bauern«, grollte er. »Mir hätte bereits in dem Moment auffallen müssen, dass er lügt, als er sich als Zeugen ausgegeben hat«, erklärte er den fassungslosen Damen. »Denn der Zeuge hätte viel kleiner und schmächtiger sein müssen, als er es ist! Stattdessen hat er mich missbraucht, um seine Aussage zu untermauern!« Eine dicke Zornesader pochte auf seiner Stirn. »Dann müsst Ihr sofort zum Hauptmann der Wache, um den Knaben zu entlasten«, sagte Katharina bestimmt. »Solch ein Unrecht darf nicht ungesühnt bleiben.«
Anabel wagte kaum, ihren Ohren zu trauen. Hatte es vor kurzer Zeit noch so ausgesehen, als habe sich die ganze Welt gegen sie verschworen, war mit Baldewins Bericht ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont aufgetaucht, der sich in rasender Geschwindigkeit verbreiterte.
»Ihr müsst Euch beeilen, Baldewin«, setzte Katharina hinzu und wies auf den zerknitterten Brief, den sie bei ihrem Eintritt in die Gaststube achtlos auf den Tisch geworfen hatte. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Kapitel 41
Endlich!, dachte der vor Kälte und Müdigkeit steife Wulf von Katzenstein, als Baldewin aus dem Inneren der Herberge auftauchte und Anstalten machte, seinen Wachposten zu verlassen. Die Vorgänge der vergangenen halben Stunde hatten ihn beinahe dazu veranlasst, seine Deckung aufzugeben und der jungen Frau zur Hilfe zu eilen. Doch glücklicherweise war der Helfensteiner Ritter ihm zuvorgekommen. Seit den frühen Morgenstunden harrte Wulf darauf, dass sich der Bewacher seiner Geliebten von der Stelle rührte und ihm eine Gelegenheit verschaffte, bei Katharina vorzusprechen. Und wenn er die Entwicklung der Ereignisse richtig deutete, war der Augenblick zum Greifen nahe. Angespannt beobachtete er, wie Baldewin mit einer im Inneren der Goldenen Gans verborgenen Person sprach, bevor der Ritter sich verneigte, den Helm auf den Kopf stülpte und in Wulfs Richtung davon eilte. Darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden, duckte sich der Katzensteiner hinter den Bretterverschlag, der ihn nur notdürftig vor Wind und Wetter geschützt hatte, und lauschte auf die sich entfernenden Schritte. Als der Ritter außer Sichtweite war, schlüpfte er durch eine Lücke, zog die Kapuze des dunklen Mantels über den Kopf und huschte auf den Eingang der Taverne zu. Dort blickte er sich ein letztes Mal misstrauisch um, bevor er mit den Knöcheln gegen das raue Holz hieb.
Einige zermürbende Momente rührte sich nichts, bis sich der Eingang einen schmalen Spalt breit öffnete und eine schüchterne Stimme ihn nach seinem Begehr fragte. »Ich muss mit der Gräfin sprechen«, flüsterte er eindringlich und stemmte die Schulter gegen die Tür.
Ein erschrockener Laut aus der Gaststube verriet ihm, dass außer Baldewin kein weiterer Beschützer zugegen war, und er verstärkte den Druck auf das Holz. Das schlanke, rotblonde Mädchen war seiner Kraft nicht lange gewachsen, und als es stolpernd zurückwich und die Hand vor den Mund schlug, zischte er beschwörend: »Ich will Euch nichts tun. Wo ist Katharina?«
Nachdem er den Spalt hinter sich geschlossen hatte, trat er auf die junge Frau zu, die mit furchtgeweiteten Augen zu ihm aufblickte. »Tut ihr nichts«, flehte sie und versuchte tapfer, ihm den Weg zu der ins Obergeschoss führenden Treppe zu vertreten. »Bitte!« Ihre Ergebenheit rührte Wulf, und als ihr Blick zu dem an seiner Seite befestigten Schwert wanderte, hob er beschwichtigend die Hände. »Wenn es Euch beruhigt, lasse ich die Waffe hier bei Euch.« Um sie nicht weiter aufzuregen, griff er sich langsam an den Gurt, löste die metallene Schnalle und ließ das Schwert behutsam auf einen der Tische fallen. »Und jetzt sagt mir bitte, wo ich sie finde.« Obschon sie ihm längst ohne Worte verraten hatte, wo sich ihre Herrin aufhielt, hob er fragend die dunklen Brauen und wartete auf einen Antwort. Als das Mädchen schließlich mit unsicherem Finger nach oben wies, schob er es sanft beiseite und erklomm die Treppe – je zwei Stufen auf einmal nehmend. Am Absatz angekommen, wandte er sich nach rechts, da sich außer einer winzigen Nische kein weiterer Raum in diesem Geschoss befand. Vor der schlampig zusammen gezimmerten Tür hielt er kurz inne, holte tief Atem und bat mit einem leisen Klopfen um Einlass.
Das schwache Weinen eines Kindes ließ seinen Herzschlag davongaloppieren, und als keine zehn Sekunden später einen wohlbekannte Stimme
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